Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ausschluss der Ersatzpflicht nach § 833 S. 2 BGB setzt voraus, dass die Tierhaltung einen wirtschaftlich erheblichen Beitrag zum Unterhalt oder Erwerb der Tierhalterin erbringt.
2. Fehler im Umgang mit einem Pferd der Reitlehrerin sind der Reitschülerin nicht zum (Mit-)Verschulden anzurechnen, wenn das fehlerhafte Verhalten der Reitschülerin dem Vorbild der Reitlehrerin entspricht.
Normenkette
BGB § 833
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 14.07.2005; Aktenzeichen 17 O 224/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 14.7.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer des Vaters der Zeugin Z1; sie gewährte der Zeugin nach einem Unfall mit einem Pferd der Beklagten Leistungen.
Die Beklagte hielt insgesamt vier Pferde und gab Kindern gegen ein Entgelt von 10 EUR je Stunde Reitunterricht; sie vereinnahmt im Durchschnitt monatlich 340 EUR.
Eine ihrer Reitschülerinnen war - noch Anfängerin - die damals 14 Jahre alte Zeugin Z1. Zur Vorbereitung eines so bezeichneten "Juxturniers", das für das kommende Wochenende angesetzt war, wollte die Zeugin Z1 am 25.2.2002 Übungen mit einem als "Verlasspferd" eingestuften Pferd der Beklagten unternehmen. Sie führte das Pferd auf dem Gelände des Reiterhofes, auf welchem es eingestellt war, in Richtung zur Koppel. Der Weg zur Koppel führte über eine Baustelle, auf der über losem Kies Bretter verlegt waren. Als die Zeugin Z1 das Pferd angeleint über ein Holzbrett ziehen wollte, wurde das Pferd unruhig und riss sich letztendlich los. Die Zeugin Z1 stürzte und erlitt - entweder durch den Sturz oder einen Huftritt - einen Beinbruch.
Die Klägerin beansprucht Ausgleich von Behandlungs- und Transportkosten. Das LG hat die Beklagte im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der tatbestandlichen Einzelheiten wird auf das Urt. v. 14.6.2005 verwiesen.
Mit der Berufung trägt die Beklagte vor, in den Umständen des Unfalles habe sich keine spezifische Tiergefahr verwirklicht; das Kind habe auf eigene Gefahr gehandelt; die Tierhalterhaftung sei ohnedies nach § 599 BGB ausgeschlossen. Ausgeschlossen sei diese Haftung auch deshalb, weil die Haltung des Pferdes dem Erwerbe der Beklagten gedient habe und sie bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Schließlich hätten die Eltern des verletzten Kindes sich billigerweise auf einen Haftungsausschluss einlassen müssen. Jedenfalls sei dem verletzten Kind ein Mitverschulden vorzuwerfen, da es das Pferd nicht habe über das Brett ziehen dürfen.
Die Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des am 14.6.2005 verkündeten Urteils des LG Darmstadt - 17 O 224/04 - die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf die vor dem OLG gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
2. Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist der Klägerin aus auf diese übergegangenem Recht zur Zahlung von Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung verpflichtet (§ 833 BGB i.V.m. § 116 Abs. 1 SGB X).
a) Wird durch ein Tier ein Mensch körperlich verletzt, so ist diejenige, welche das Tier hält verpflichtet, der Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen; so bestimmt es § 833 S. 1 BGB. Die umschriebenen Voraussetzungen einer Haftung der Tierhalterin sind vorliegenden Falles bis auf eine unstreitig; aber auch diese eine, nämlich die Schadensverursachung "durch ein Tier" im Sinne der Verwirklichung einer spezifischen Tiergefahr ist gegeben: Wenn das Pferd - wie vom LG festgestellt, im Übrigen auch unumstritten - vor dem von ihm offensichtlich als beängstigend eingeschätzten "Hindernis", vor dem auf dem Kies verlegten Brett scheute, das führende Kind umwarf und unkontrolliert weglief, dann zeigte sich hierin ein typisches Angst- oder Schreckverhalten eines Pferdes; es verwirklichte sich die durch die Unberechenbarkeit des Tieres hervorgerufene Gefährdung, es verwirklichte sich eine spezifische Tiergefahr (Beispiele aus der Rechtsprechung für typische Tiergefahren beim Pferd: Scheuen, Durchgehen, Losreißen, Ausschlagen, Ausbrechen vgl. OLG Düsseldorf v. 28.1.1994 - 22 U 161/93, VersR 1995, 186; v. 16.3.1998 - 1 U 114/97, OLGReport Düsseldorf 1999, 98 = NJW-RR 1999, 1622; OLG Köln v. 2.12.1992 - 13 U 114/92, MDR 1993, 518 = OLGReport Köln 1993, 100 = VersR 1993, 616; OLG Hamm v. 12.11.1996 - 27 U 83/96, OLGReport Hamm 1997, 108 = VersR 1997, 1542).
Die Annahme der Beklagten, das Kind habe das Pferd gleichsam als Werkzeug gegen sich selbst benutzt, indem sie versucht habe, es auf dem eingeschlagenen Wege über das Brett zu ziehen, stellt die Erkenntnis der Verwirklichung einer spezifischen Tiergefahr nicht in Frage. Zwar ist es kein Ausdruck spezifischer Tiergefahr, kei...