Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag über Gewerberäume ohne entsprechende Nutzungsgenehmigung: Behördliche Nutzungsbeschränkung als Sachmangel; Ende des Mietverhältnisses bei wirksamen Kündigungen beider Parteien; Wirksamkeit des Mietvertrags bei Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften und das Zweckentfremdungsverbot
Orientierungssatz
1. Für die Anwendung der Bestimmungen über die anfängliche Unmöglichkeit (BGB §§ 306, 307) ist dann kein Raum, wenn sie auf einen Sachmangel beruht.
2. Der Grundsatz, daß ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen durch die Gewährleistungsregelungen der BGB §§ 537ff verdrängt wird, gilt dann nicht, wenn der Vermieter grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.
3. Eine behördliche Nutzungsbeschränkung stellt trotz bisheriger Duldung des baurechtswidrigen Zustandes, einen Mangel der Mietsache dar, wenn mit einem behördlichen Einschreiten während der vereinbarten Vertragszeit zu rechnen ist.
4. Der aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen hergeleitete Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens erfaßt auch die Aufwendungen des Mieters, die sich wegen vom Vermieter zu vertretender vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses als nutzlos erweisen. Der Mieter kann diese sog "frustrierten" Aufwendungen aber nur auf der Grundlage einer Rentabilitätsvermutung ersetzt verlangen.
5. Wenn die Mietvertragspartei, die zuerst berechtigterweise die Kündigung erklärt hat, innerhalb der von ihr in zulässiger Weise bestimmten Auslauffrist eine Vertragsverletzung begeht, welche die andere Partei zur fristlosen Kündigung veranlaßt, führt dies nicht dazu, daß die vorangegangene Kündigung unwirksam wird. Dies hat vielmehr nur zur Folge, daß das Mietverhältnis bei Wirksamkeit der späteren Kündigung bereits zu der hierin bestimmten kürzeren Auslauffrist ihr Ende findet.
6. Ein Mietvertrag, der gegen baurechtliche Vorschriften oder das Zweckentfremdungsverbot verstößt, ist nicht nichtig, da baurechtliche Vorschriften sich nur an den Vermieter wenden und keinen unmittelbaren Bezug zu einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung über die Nutzung haben und das Zweckentfremdungsverbot sich nur gegen die faktische Beseitigung oder Vereitelung des Wohngebrauchs, nicht aber gegen die Vertragsfreiheit richtet.
7. Die latente Gefahr einer behördlichen Untersagung der Nutzung der Mieträume berechtigt dann nicht zur Mietminderung, wenn die Behörde die rechtswidrige Nutzung duldet und erst nach Beendigung des Mietverhältnisses einschreiten will.
Normenkette
BauO HE § 87; MietRVerbG Art. 6 § 1; BGB §§ 306-307, 537, 538 Abs. 1, § 542 Abs. 1, § 812; WiStrG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.03.1992; Aktenzeichen 2/23 O 279/91) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin zu 1) und die Anschlußberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 23. Zivilkammer – vom 12. März 1992 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 25.783,08 DM nebst 4 % Zinsen aus 22.585,37 DM seit dem 14.09.1992 und aus 3.197,71 DM seit dem 26.10.1991 zu zahlen.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagten 22.560,28 DM nebst 4 % Zinsen aus 21.660,– DM seit dem 04.03.1991 und aus 900,28 DM seit dem 09.12.1991 zu zahlen.
Im übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des zweiten Rechtszugs haben die Gerichtskosten die Klägerin zu 1) zu 30 %, der Kläger zu 2) und der Kläger zu 3) jeweils zu 33 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 4 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) haben diese selbst zu 90 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 10 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2) und 3) haben diese selbst jeweils 99 % und die Beklagten als Gesamtschuldner jeweils 1 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) haben diese selbst jeweils zu 4 %, die Klägerin zu 1) zu 30 % und die Kläger zu 2) und 3) jeweils zu 33 % zu tragen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten haben die Kläger jeweils zu 1/3 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) haben diese selbst 99 % und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 1 % zu tragen. Die Kläger zu 2) und 3) haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) haben diese selbst jeweils zu 1 % und die Kläger zu 1) bis 3) jeweils zu 33 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung seitens der Klägerin zu 1) durch Sicherheitsleistung von 30.000,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung seitens der Kläger zu 2) und 3) können die Beklagten durch Sicherheitsleistung von jeweils 120,– DM abwenden, wenn nicht die Kläger zu 2) und 3) vor der Vollstrecku...