Leitsatz (amtlich)
Eine Bank darf eine Grundschuld nur verwerten für die Forderungen, für die sie nach der Sicherungsabrede haftet. Dazu gehört nicht eine Forderung aus § 812 BGB, die die Bank durch Rücküberweisung des Betrages begründet hat, den der Kunde auf einen wegen Anfechtung nichtigen Darlehensvertrag gezahlt hat.
Auch Kreditverträge können nach allgemeinen Grundsätzen wegen Irrtums angefochten werden.
Normenkette
BGB §§ 119, 812; pVV
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 9 O 237/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 11.1.2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.001 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der im Jahre 1933 geborene Kläger hatte im Jahre 1996 zum Erwerb einer Eigentumswohnung bei der Beklagten ein durch Grundschuld gesichertes Darlehen über 50.000 DM aufgenommen, über dessen Tilgungsmodalitäten die Parteien in Streit gerieten. Vom Kläger am 25.2.1997 zurückgezahlte 49.695,85 DM überwies die Beklagte am 28.2.1997 ihrerseits zurück. Dem Kläger, der Privatkredite nicht weiter vorhalten und andere Bankkredite nicht bekommen konnte, gelang es trotz vielfältigster Bemühungen nicht, die 1998 eingeleitete Zwangsversteigerung der auf 163.000 DM geschätzten Eigentumswohnung zu 81.000 DM zu verhindern.
Mit der jetzigen Klage begehrt er Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 5.001 EUR. Auf das klageabweisende Urteil des LG wird Bezug genommen.
Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die in der mündlichen Verhandlung erörterte Zeittafel und die darin in Bezug genommenen Aktenteile verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers hat Erfolg, weil seine Klage begründet ist. Er hat - jedenfalls in Höhe des rechtshängigen Teilbetrages von 5.001 EUR - Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung. (Für die Beziehung der Parteien ist das bis 31.12.2001 geltende Recht anzuwenden.)
Die Beklagte hat Vertragspflichten verletzt, was den Verlust dessen Eigenkapitals von 113.000 DM zur Folge hatte. Indem die Beklagte die Zwangsvollsteckung aus der Grundschuld betrieb, hat sie die ihr aus der Sicherungsabrede ("Zweckerklärung für Grundschulden- Begrenzte Sicherung") vom 24.4.1996 obliegende Pflicht verletzt, die Grundschuld nur für Hauptsumme, Kosten und Zinsen des Darlehens - zu verwerten.
Im Zeitpunkt der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens 7 K 130/98, das zur Zwangsversteigerung des Grundeigentums des Klägers unter Wert geführt hat, bestand keine Darlehensrückzahlungsverpflichtung des Klägers. Der Darlehensvertrag der Parteien war in Folge Anfechtung durch den Kläger nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Der Kläger hatte seine Vertragserklärung wegen Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) wirksam angefochten.
Der Kläger hat sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt, die er mit seiner Unterschrift unter den Kreditvertrag am 3.5.1996 abgegeben hatte. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt aus Sicht der Beklagten beinhaltete sie - wovon das LG zutreffend ausgeht - seine Zustimmung zu einer festen 5-jährigen Laufzeit. Im Vertragstext war zwar die Kündigung nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dies folgt jedoch aus dem Umkehrschluss der Kündigungsregelung in Nr. 9. 1. des Darlehensvertrages vom 24.4.1996 und den banküblichen Gepflogenheiten, die die Einräumung eines Festzinses nur für die Zeit der beiderseitigen Bindung vorsehen. Eine Erklärung dieses Inhalts hat der Kläger jedoch überhaupt nicht abgeben wollen. Vom Vorhandensein dieser subjektiven Tatsache ist das Gericht nach den gesamten Umständen überzeugt. Wie seine vielfältigen Eingaben in den vergangenen Jahren belegen, war der Kläger geradezu besessen von der Vorstellung, dass eine solche Vertragsgestaltung ihn finanziell krass benachteilige und für ihn in seinem fortgeschrittenen Alter auf keinen Fall in Frage kam. So hat er etwa in seinem Schreiben vom 10.2.1997 (Bl. 423 d.A.) ausgeführt, "es ist nicht das worum ich die ... kasse bat", "nach so einem Vertrag habe ich definitiv nicht nachgesucht", und im Schreiben vom 28.2.1997: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Zurückzahlen von Krediten verboten sein könnte, wegen mögliche Zinsschäden für die Bank!". Diese Fehlvorstellung ist geradezu der Schlüssel zum Verständnis seines gesamten nachfolgenden Verhaltens, wie auch immer man dies ansonsten beurteilen mag. Sie berechtigte ihn zur Anfechtung, wobei es nach den Regeln des BGB unerheblich ist, ob er den Irrtum selbst verschuldet hatte oder nicht (RGZ 62, 201 [205]) oder der Erklärungsempfänger diesen Irrtum hervorgerufen hatte oder ihn erkennen konnte.
Der Kläger hat die Anfechtung auch nach Kenntnis seines Irrtums ohne schuldhaftes Zögern erklärt. Nachdem ihm die Annahme seiner Sonderzahlung als Tilgungsbetrag verweig...