Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Skandal: Schadensersatz aus § 826 BGB für im Oktober 2013 erworbenen Neuwagen mit Dieselmotor EA189

 

Normenkette

BGB § 826

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 29.04.2021; Aktenzeichen 7 O 231/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 29. April 2021 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.609,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04. Dezember 2020 dem zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges Volkswagen Tiguan 2.0 I TDI mit der Fahrgestellnummer: ....

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden; wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.501,71 EUR. festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten als Herstellerin des von dem Kläger erworbenen Pkw VW Tiguan Schadensersatz infolge des Einbaus einer abgasbeeinflussenden Software in die Motorsteuerung des Fahrzeuges.

Der Kläger erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug am 05.10.2013 direkt von der Beklagten zu einem Kaufpreis von EUR 34.637,50. Es handelte sich um einen Neuwagen der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist. Das Fahrzeug wurde am 17.10.2013 auf den Kläger zugelassen. Der Kaufpreis wurde dem Kläger am 05.10.2013 von der Beklagten unter deren Rechnung Nr. ... (vgl. Bl. 13 ff. Bd. I) in Rechnung gestellt und bezahlt.

Das Fahrzeug ist vom sogenannten Abgasskandal betroffen, da in ihm eine Software verbaut wurde, welche bewirkt, dass es im Abgasrückführungsmodus 1, der im NEFZ aktiv ist, zu einer höheren Abgasrückführungsrate kommt. Die von der Beklagten installierte Software, die für die Abgaskontrollanlage zuständig ist, erkennt dabei die Prüfungssituation durch ein unnatürliches Fahrverhalten. Bei diesen Bedingungen ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenig Stickoxide entstehen. Im normalen Fahrbetrieb hingegen sind die Abgasaufbereitung und -rückführung so gestaltet, dass die Stickoxid-Emissionen erheblich höher sind.

Am 22.09.2015 gab die Beklage eine Ad-hoc-Mitteilung heraus, in der sie auf Unregelmäßigkeiten bei der Steuerungssoftware von Diesel-Motoren hinwies. Durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) wurde mit Bescheid vom 15.10.2015 dieses Programm als unzulässige Abschalteinrichtung eingeordnet, zugleich wurde durch das KBA eine nachträgliche Nebenbestimmung für die jeweils erteilte Typengenehmigung angeordnet, dergestalt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.

Im Februar 2016 schrieb die Beklagte alle betroffenen Fahrzeughalter, also auch den Kläger, der von ihr mit einem Motor des Typs EA189 ausgestatteten Fahrzeuge an und informierte diese über ein mögliches Update der Motorsteuerungssoftware sowie den mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Zeit- und Maßnahmeplan.

Am Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig (Az. ...) beteiligte sich der Kläger nicht wirksam.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2020 forderte der Kläger die Beklagte dazu auf, bis zum 30.09.2020 den Kaufpreis für das Fahrzeug in Höhe von 34.637,50 EUR Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erstatten. Da die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, reichte der Kläger, am 23.10.2020, die vorliegende Klage beim Landgericht ein, die der Beklagten am 03.12.2020 zugestellt wurde.

Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.01.2022 wies das Fahrzeug einen Kilometerstrand von 69.529 auf.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.268,69 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Tiguan 2.0 TDI, FIN ..., zu zahlen und zwar abzüglich einer weiteren Nutzungsentschädigung in EUR, die sich nach der folgenden Formel beziffert: Kaufpreis × gefahrene Kilometer / Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.524,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.12.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat b...

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