Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem niederländischen Verfahren mit der Landesbezeichnung "faillissement" handelt es sich um ein Insolvenzverfahren nach der Definition des Art. 2a EUInsVO in Verbindung mit der Anlage zu EUInsVO.
2. Nach § 240 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 352 InsO wird ein Rechtsstreit im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft, auch wenn es sich um ein ausländisches Insolvenzverfahren handelt.
3. Die Entscheidungszuständigkeit des Eröffnungsgerichts ist vom Prozessgericht nicht mehr zu prüfen.
Normenkette
EGV 1346/2000 Art. 2a, 3 Abs. 1, Art. 15, 16 Abs. 1; InsO § 352; ZPO § 240 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.11.2011; Aktenzeichen 3-5 O 45/11) |
Tenor
Der Rechtsstreit ist unterbrochen.
Gründe
I. Die Kläger verlangen, soweit im Berufungsverfahren angefallen, noch die Feststellung der Nichtigkeit von vier Beschlüssen, die in einer Versammlung vom 20.6.2011 der Gläubiger einer von der Beklagten begebenen Schuldverschreibung gefasst wurden. Das LG hat insoweit den Klagen stattgegeben, weil das Schuldverschreibungsgesetz wegen teilweiser Wahl niederländischen Rechts nicht anzuwenden sei, wogegen sich die Berufung der Beklagten richtet. Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das Urteil vom 15.11.2011 Bezug genommen (Bl. 638 bis 665 d.A.).
Im Berufungsverfahren ist am 2.3.2012 ein gerichtlicher Vergleich mit einem beschränkten Widerrufsvorbehalt (Bezugnahme auf Bl. 848 bis 887 d.A.) geschlossen worden, zu dem die Wirksamkeit des am 13.3.2012 erklärten Widerrufs von den Klägern bestritten ist. Am 20.4.2012 ist, nachdem der Senat eine Freigabe des angefochtenen Beschlusses versagt hatte (Entscheidung vom 27.3.2012, Bl. 936 bis 951 d.A.), über das Vermögen der Beklagten vom Zivilgericht in -s-.../Niederlande ein einstweiliger Zahlungsaufschub angeordnet worden (Übersetzung des Beschlusses Bl. 1161 d.A.) und am 12.6.2012 ein Insolvenzverfahren, das sog. faillissement, angeordnet worden (Übersetzung Bl. 1153-1154 d.A.).
Die Beklagte beantragt, festzustellen, dass der Rechtstreit unterbrochen ist, hilfsweise, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klagen auch im Übrigen abzuweisen.
Die Kläger beantragen, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 2.3.2012 beendet ist, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger zu 3.) bis 13) haben zunächst eine Unterbrechung des Rechtsstreits in Frage gestellt, weil das niederländische Gericht nach § 3 EUInsVO zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen habe (Schriftsätze vom 6.7.2012 und 14.8.2012, Bl. 1169 ff. und 1175 ff. d.A.), die Kläger zu 14.) bis 16.), weil der Rechtsstreit bereits zuvor durch Vergleich wirksam beendet worden sei. Im Senatstermin haben die Kläger zu 3.) bis 13.) ihren Vortrag zur Unterbrechungswirkung aufgegeben.
II. Der Rechtsstreit ist unterbrochen, was auf den Antrag der Beklagten durch Zwischenurteil festzustellen ist, wiewohl die Unterbrechungswirkung von selbst und unabhängig von einer dahin gehenden gerichtlichen Entscheidung eintritt. Wenn die Unterbrechungswirkung von einer Partei bezweifelt wird, ist über sie - bejahendenfalls - durch Zwischenurteil zu entscheiden (BGH vom 28.10.1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 218 am Ende; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vorbem. § 239 Rz. 3 m.w.N.).
Eine Unterbrechung ist nach § 240 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 352 InsO eingetreten. Nach diesen Bestimmungen wird ein Rechtsstreit im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft, auch wenn es sich um ein ausländisches Insolvenzverfahren handelt.
Ein Rechtsstreit bzw. ein Verfahren im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, ohne dass es darauf ankommt, ob die Rechtshängigkeit der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage vor der Insolvenzeröffnung durch den gerichtlichen Vergleich vom 2.3.2012 beendet worden ist. Freilich setzt die Unterbrechung grundsätzlich ein rechtshängiges und nicht abgeschlossenes Verfahren voraus (BGH vom 11.12.2008 - IX ZB 232/08, ZIP 2009, 240; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 240 Rz. 4), während hier die tatsächlichen Voraussetzungen einer Fortdauer der Rechtshängigkeit der Beschlussanfechtungsklagen noch nicht geklärt sind. Sie sind nicht geklärt, denn die Parteien hatten den Widerruf des Vergleichs von einer inhaltlichen Voraussetzung abhängig gemacht, deren Eintritt bestritten ist, nämlich davon, dass in der Frist nicht alle Zustimmungen vorliegen würden, die nach den in der Anlage 3 zum Vergleich aufgeführten Finanzierungsverträgen nötig sind. Bei einem Streit über die Beendigung eines Rechtstreits durch Vergleich ist aber der bisherige Rechtsstreit auf den Antrag dessen, der die Unwirksamkeit geltend macht, fortzusetzen (Zöller/Stöber, wie oben, § 794 Rz. 15a) und dabei zu klären, ob durch den Vergleich ein Sachurteilshindernis entstanden ist. Auch der...