Leitsatz (amtlich)
1. Selbst bei hohem Reparaturkostenaufwand ist ein merkantiler Minderwert eines beschädigten und fachgerecht reparierten Kraftfahrzeugs nicht anzunehmen, wenn der Schaden ein eigentlicher Verkehrsunfallschaden war und das betroffene Fahrzeugmodell sehr gesucht und wertstabil ist.
2. Ist ein zur Reparatur erforderliches Ersatzteil nicht zu beschaffen und steht deshalb eine monatelange Wartezeit im Raum, so obliegt es dem Geschädigten, den Schädiger vor der Entstehung eines ungewöhnlich hohen Nutzungsausfallschadens zu warnen und eine im Verhältnis zum anstehenden Ausfallschaden deutlich geringeren Aufwand fordernde Interimsreparatur vornehmen zu lassen.
Normenkette
BGB §§ 249, 254 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 09.05.2005; Aktenzeichen 1 O 426/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 9.5.2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 87,73 EUR nebst 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz für die Zeit seit dem 6.4.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten der Streithilfe trägt die Streithelferin der Beklagten zu 1/3, der Kläger zu 2/3. Im Übrigen sind die Kosten der ersten Instanz zu 1/3 von der Beklagten, zu 2/3 vom Kläger zu tragen.
Die Kosten der zweitinstanzlichen Streithilfe sind zu 3/10 von der Streithelferin der Beklagten, zu 7/10 vom Kläger zu tragen. Im Übrigen ist der Kläger mit den Kosten der Rechtsmittelinstanz zu 7/10, die Beklagte zu 3/10 belastet.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Der Wagen des Klägers, ein X wurde am 17.11.2001 in der von der Beklagten betriebenen Waschstraße beschädigt; die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz ist dem Grunde nach unumstritten.
Der Kläger gab seinen Wagen in eine freie Werkstatt zur Reparatur. Diese bestellte am 11.12.2001 zum Ersatz der in der Waschanlage der Beklagten beschädigten Heckscheibe eine neue Scheibe vom Typ der beschädigten. Dieser Scheibentyp war nicht lieferbar, und die Herstellerin lieferte eine ebenfalls zum Wagen des Klägers passende Scheibe aus. Diese unterschied von der beschädigten Scheibe dadurch, dass sie anders als diese nicht über eine Bohrung zum Einsatz eines Heckscheibenwischers verfügte.
Der Kläger beschaffte sich von privater Seite eine Heckscheibe mit entsprechender Bohrung, und die von ihm mit der Behebung des Schadens betraute Werkstatt baute sie ein. Die Werkstatt schloss die Reparatur am 23.2.2002 ab.
Mit Schreiben vom 20.12.2001 hatte der Haftpflichtversicherer der Beklagten u.a. Reparaturkosten i.H.v. 16.155,34 DM anerkannt; den von ihm ermittelten Entschädigungsbetrag zahlte er aus. Später kamen Zweifel an der Angemessenheit der dieser Zahlung zugrunde gelegten Einschätzung der Reparaturkosten auf; nach Einholung eines - weiteren - Sachverständigengutachtens im Verlaufe der ersten Instanz ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der zur Reparatur erforderliche Aufwand auf 5.607,39 EUR beschränkt ist.
Mit der Klage hat der Kläger weiteren Schadensersatz aus dem Ereignis vom 17.11.2001 gefordert; er hat Nutzungsausfallentschädigung für die Gesamtdauer der Reparatur i.H.v. 9.172,40 EUR, des Weiteren u.a. Ausgleich merkantiler Wertminderung i.H.v. 2.778 DM gefordert.
Die Beklagte hat diese Ansprüche zurückgewiesen und ihrerseits mit der Widerklage Rückzahlung der aufgrund Schreibens vom 20.12.2001 geleisteten Entschädigung zu einem Anteil von 6.118,29 EUR gefordert.
Das LG hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage einen Betrag von 2.952,30 EUR zugesprochen. Wegen der tatbestandlichen Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urt. v. 9.5.2005 verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Klageantrag zum Teil und den auf Abweisung der Widerklage gerichteten Antrag vollen Umfanges weiter. Er trägt vor, er sei auf die Nutzung des beschädigten Fahrzeuges angewiesen gewesen, da er selbst kein anderes besessen habe, und da ein weiteres seiner Familie zur Verfügung stehendes Fahrzeug auf seine Ehefrau zugelassen sei und auch von ihr gefahren werde.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 9.5.2005 verkündeten Urteils des LG Darmstadt 1 O 426/02 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 7.645,13 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.4.2002 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Streithelferin der Beklagten unterstützt diesen Antrag.
Die Beklagte und ihre Streithelferin tragen vor, der Kläger besitze weitere Fahrzeuge, die er genutzt habe bzw. nutzen könne.
Wegen des zweitinstanzlichen Sachvortrages der Parteien wird auf die vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 30.9.2005 Bezug genommen.
2. Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger kann aus dem Schadensereignis vom 17.11.2001 von der Beklagten - deren Haftung dem Grunde nach unstreitig ist - Zahlung weiterer 87,73 EUR verlange...