Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung einer Vorauszahlung nach Rücktritt vom Kaufvertrag mit einer auf der Specially Designated Nationals List (SDN-Liste) aufgeführten iranischen Firma
Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich ein Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, steht dem Verkäufer gegenüber einer auf der SDN-Liste durch US-amerikanische Behörden gelisteten Vertragspartei kein Recht zu, eine Vertragsanpassung dahingehend zu verlangen, dass er berechtigt ist, die fällige Rückzahlung bereits erhaltener Vorauszahlungen so lange zu verweigern, bis der Vertragspartner von der SDN-Liste gestrichen ist.
2. Die im Rahmen des § 313 BGB vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zu einer Unzumutbarkeit eines Festhaltens am unveränderten Vertrag für den Verkäufer, weil das Risiko einer SDN-Listung des Vertragspartners in seinen Risikobereich fälllt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Iran Freedom and Counter-Proliferation Act of 2012 (IFCA) zwar den Handel mit SDN-gelisteten Unternehmen verbietet, demgegenüber aber Art. 5 der EU-Blocking-VO eine umfassende Nichtberücksichtigung dieser inkriminierten US-Sanktion gebietet. Dies hat zur Folge, dass sich der Schuldner nicht auf die IFCA als Leistungshindernis berufen kann, weil er damit - entgegen der EU-Blocking-VO - dem Verbot eines Handels mit SDN-gelisteten Unternehmen nachkäme.
Normenkette
BGB § 313
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.03.2020; Aktenzeichen 2-27 O 425/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.3.2020 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen. Auch die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung einer Vorauszahlung für in den Iran zu liefernde Waren in Höhe von 27.342.000 EUR sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der Nichterfüllung der Verträge in Anspruch.
Die Beklagte ist auf die Herstellung von Graphitelektroden spezialisiert. Sie gehört seit 2017 zum japanischen A Konzern, dem auch die Schwestergesellschaften der Beklagten in den USA angehören. Sie schloss - ausweislich der Feststellung des Landgerichts im unstreitigen Teil des angefochtenen Urteils - am 13.8.2018 mit der Zedentin - der X Company (nachfolgend: X) - Kaufverträge über Graphitelektroden zum Preis von insgesamt 27.342.000 EUR. Wegen des Datums des Kaufvertragsschlusses im angefochtenen Urteil hat die Beklagte einen Berichtigungsantrag gestellt und behauptet, die Verträge seien bereits am 3. und 8.5.2018 geschlossen worden. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Beklagte selbst in der Klageerwiderung den Liefervertrag auf den 13.8.2018 datiert hat.
Am 8.5.2018 kündigten die USA an, das Iran-Abkommen zu kündigen und zum 7.8.2018 bzw. 5.11.2018 ihre Iran-Sanktionen wiedereinzuführen. Dies betraf auch die von dem Office of Foreign Asset Control (nachfolgend: OFAC) geführte "Schwarze Liste", die Specially Designated National List (nachfolgend: SDN-Liste). Die Fristen zum 7.8.2018 bzw. 5.11.2018 ("wind-down periods") dienten dazu, Unternehmen die Abwicklung ihres bestehenden Iran-Geschäfts zu ermöglichen, ohne dafür sanktioniert zu werden.
Am 21.8.2018 schloss die Beklagte mit der X eine Vorauszahlungsvereinbarung (Advance Payment Agreement, nachfolgend: APA), nach der sich die X zur Vorauszahlung des gesamten Kaufpreises verpflichtete. Dort wurden als Daten der Kaufverträge der 3. und 8.5.2018 genannt.
Am 16.10.2018 veröffentlichte das OFAC eine Pressemitteilung mit Terror-Vorwürfen gegen die X und setzte das Unternehmen auf der Grundlage der Executive Order 13224 auf die SDN-Liste. Hierbei handelt es sich um eine Durchführungsverordnung des US-Präsidenten George W. Bush, die am 23.9.2001 als Reaktion auf die Anschläge des 11. September erlassen wurde.
Am 23.10.2018 informierte die Beklagte ihre iranischen Kunden darüber, ihre Lieferungen in den Iran auszusetzen. Am 24.10.2018 trat die X die Forderungen und weiteren Rechte aus den Warenlieferungsverträgen mit der Beklagten an die Klägerin ab. Bei einem Treffen am 30.11.2018 erklärte die Klägerin und die X gegenüber der Beklagten den Rücktritt von den streitgegenständlichen Verträgen.
Auch andere Unternehmen sahen von einer Auslieferung an die X ab, erstatten jedoch die Vorauszahlungen bis zum 4.11.2018 zurück (Anlagen K 5.1 - 5.7). Auf die SDN-Liste kamen diese Unternehmen nicht.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), hat die Beklagte zur Rüc...