Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelhaftigkeit bei einem erst nach Gefahrübergang bekanntgewordenen Mangel, der auf vor Gefahrübergang gegebenen Tatsachen beruht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verdacht auf eine Dioxinbelastung veräußerten Fleisches stellt eine Vertragswidrigkeit, einen Sachmangel i.S.v. Art. 31 Abs. 1 CISG dar.
2. Ein Mangel liegt auch dann vor, wenn der Verdacht der Verseuchung erst nach Gefahrübergang entsteht, jedoch auf Tatsachen beruht, die vor Gefahrübergang gegeben, aber noch nicht bekannt waren.
3. Die Beweislast, dass der Verdacht unbegründet ist, trägt der Verkäufer.
4. Der Grundsatz, wonach den Verkäufer keine Haftung dafür trifft, dass die Ware mit den öffentlich rechtlichen Vorschriften im Verwenderland vereinbar sei, erfährt dann eine Ausnahme, wenn gerade die veräußerte Ware die Schutzmaßnahmen im Empfängerland (und im Übrigen auch im Herkunftsland) ausgelöst hat.
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 18.03.2003; Aktenzeichen 8 O 57/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Gießen - 8. Zivilkammer/2. Kammer für Handelssachen - vom 18.3.2003 - 8 O 57/01 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 9.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch schriftliche, unbefristete, unbedingte und unwiderrufliche Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes erbracht werden.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 47.658,92 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin hat die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Bezahlung einer Lieferung Schweinefleisch in Anspruch genommen, die die Beklagte von einer belgischen Großhändlerin, Firma ..., gekauft hatte.
Jene hat ihre Kaufpreisforderung unter dem 16.12.1999 (Bl. 91 d.A.) an die Klägerin, eine Kreditversicherung, abgetreten. Die Beklagte hatte im April 1999 bei der Firma ... gefrorenes Schweinefleisch verschiedener Art und Güte bestellt. Die Ware wurde am 15.4., 27.4. und 7.5.1999 von der Beklagten abgeholt und ihr unter diesen Daten in Rechnung gestellt. Die Rechnungen belaufen sich auf insgesamt 128.212,75 DM (Bl. 12, 15 und 18 d.A.). Den Rechnungen waren jeweils Genusstauglichkeitsbescheinigungen beigefügt. Aussagen über den Dioxingehalt des Fleisches enthielten sie nicht. Die Beklagte veräußerte das Fleisch weiter an die Firma H., diese wiederum an eine Firma T. Dort traf die Ware spätestens am 4.6.1999 ein. Etwa zum gleichen Zeitpunkt wurde bekannt, dass belgisches Schweinefleisch dem Risiko einer Dioxinbelastung unterlag. Am 11.6.1999 trat daher in der Bundesrepublik Deutschland eine Verordnung zum Schutz der Verbraucher vor belgischem Schweinefleisch in Kraft, welches ohne Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für nicht verkehrsfähig erklärt wurde. Auch die EU erließ in diesem Zusammenhang eine Vorschrift über die Notwendigkeit von Genusstauglichkeitsbescheinigungen, welche eine Dioxinfreiheit bestätigten. Die Beklagte zahlte auf die Kaufpreisforderung insgesamt 35.000 DM in zwei Teilbeträgen, der Rest bildet die Klageforderung. Vorprozessual hat die Beklagte u.a. unter Vorlage von Bescheinigungen geltend gemacht, die Ware sei in ... beschlagnahmt und schließlich mangels Nachweises der Dioxinfreiheit vernichtet worden.
Die Klägerin hat behauptet, das gelieferte Schweinefleisch sei nicht dioxinbelastet gewesen. Die Echtheit der beklagtenseits vorgelegten Bescheinigungen werde bezweifelt. Bei Aufkommen des Dioxinverdachtes sei die Ware längst an die Kundin der Beklagten ausgeliefert gewesen. Eine Beschlagnahme und Einlagerung des Fleisches bis Ende Juni 1999 habe nicht stattgefunden. Die Firma ... habe sich nach entsprechender Rüge der Beklagten vergeblich bemüht, von dieser Proben der Lieferung zu erhalten, um diese in einem amtlichen Labor untersuchen und eine Dioxinfreiheit attestieren zu lassen. Telefonisch seien keine derartigen Bescheinigungen verlangt worden. Das Fleisch sei nicht vernichtet worden. Die Beklagte habe es nicht rechtzeitig untersucht.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.658,92 Euro (93.212,75 DM) nebst 5 % Zinsen seit dem 26.6.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, Belgien habe am 4.6.1999 das Inverkehrbringen von lebenden Schweinen und deren Fleisch verboten. Es sei davon ausgegangen, dass für Fleisch, welches vor dem 30.7.1999 nach Deutschland verbracht worden sei, ein Verdacht auf Dioxinbelastung bestehe und dass Erzeugnisse von Schweinefleisch, die von bis zum 23.7.1999 geschlachteten Tieren gewonnen wurden, bis zum Nachweis der Unbedenklichkeit beschlagnahmt werden sollten. Das erworbene Schweinefleisch sei in ein Zolllager verbracht worden, und für die Verzollung in ... sei Ende Juni 1999 eine Bestätigun...