Leitsatz (amtlich)

1. Eine Mundspülung mit dem Wirkstoff Chlorhexidin erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels; insb. fehlt es insoweit an der erforderlichen pharmakologischen Wirkung.

2. Im Streitfall liegt auch kein Präsentationsarzneimittel vor, da das Erzeugnis nach seiner Gesamtaufmachung dem Verkehr als kosmetisches Mittel nahegebracht wird.

 

Normenkette

AMG § 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-6 O 554/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.10.2010; Aktenzeichen I ZR 90/08)

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für Mundspüllösungen, die Chlorhexidin enthalten. Die Beklagte vertreibt die Mundspüllösung "A" als kosmetisches Mittel in der im Klageantrag wiedergegebenen Verpackung. Darauf ist angegeben: "Mundspülung zur Mundpflege - Reduziert bakteriellen Zahnbelag und hemmt dessen Neubildung - Schützt das Zahnfleisch und trägt zur Erhaltung der Mundgesundheit bei". Auf dem Beipackzettel heißt es zur Anwendung, man solle den Mund zwei mal täglich mit 10 ml unverdünnter Lösung 30 Sekunden lang spülen. Für A besteht keine arzneimittelrechtliche Zulassung.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die von dem Beklagten vertriebene Mundspülung sei ein Arzneimittel i.S.v. § 2 AMG, weil ihr eine pharmakologische Wirkung zukomme. Außerdem sei A 0,12 % als sog. Bestimmungs- oder Präsentationsarzneimittel anzusehen, weil es sich aufgrund seiner Verpackung und der beigefügten Produktinformationen für einen durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher als Arzneimittel darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das LG hat die Klage unter Berufung auf die Senatsentscheidung vom 21.9.2006 (6 U 91/05 - WRP 2007, 216 ff.) mit der Begründung abgewiesen, A komme eine pharmakologische Wirkung nicht zu, weil die dazu erforderliche Wechselwirkung zwischen den Molekülen der infrage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil des Anwenders nicht erwiesen sei. Auch als Präsentationsarzneimittel sei A 0,12 % nicht anzusehen.

Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen greift die Klägerin mit der Berufung nicht an. Die Klägerin wirft dem LG jedoch vor, den Anwendungsbereich von § 2 AMG zu eng gefasst zu haben. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Parteien ihre bereits in erster Instanz vorgebrachten Argumente.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. vom 11.4.2207 zum Aktenzeichen 2-06 O 554/06 zu verurteilen, es bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für das Mittel "A 0,12 %" in Flaschen und/oder Faltschachteln und/oder Gebrauchsinformationen - wie nachstehend wiedergegeben - zu werben und/oder dieses Mittel zu vertreiben, solange es nicht als Arzneimittel zugelassen ist:

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 2, 21 AMG könnte nur bestehen, wenn A als Arzneimittel i.S.v. § 2 AMG anzusehen wäre. Dies hat das LG mit zutreffenden Gründen verneint.

Der Begriff des Arzneimittels hat durch Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung, die diese Vorschrift durch Art. 1 Nr. 1 lit. b) der Richtlinie 2004/27/EG erhalten hat, eine Vollharmonisierung erfahren (BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 24/03 - GRUR 2006, 513 ff. - Arzneimittelwerbung im Internet, Tz. 33; ebenso: Doepner/Hüttebräuker, WRP 2005, 1195, 1202; Meyer/Reinhard, WRP 2005, 1437, 1444). Danach gilt, dass als Arzneimittel zum einen solche Stoffe anzusehen sind, die die Funktion eines Arzneimittels erfüllen, indem sie "im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen" (Art. 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG). Zum anderen ist der Arzneimittelbegriff erfüllt, wenn Stoffe oder Stoffzusammensetzungen dazu bestimmt sind "als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten" eingesetzt zu werden und deshalb als Präsentations- oder Bestimmungsarzneimittel anzusehen sind (Art. 1 Nr. 2 lit. a der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG). Dabei gilt die Vollharmonisierung des Arzneimittelbegriffs sowohl für Funktionsarzneimittel als auch für Präsentations- oder Bestimmungsarzneimittel (ebenso: OLG Stuttgart, Urt. v. 14.2.2008 - 2 U 81/07 - juris-Tz. 32). Dem ist durch richtlinienkonforme Auslegung des Arzneimittelbegriffs in § 2 Abs. 1 AMG...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge