Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 32 C 110/07-90)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen Xa ZR 78/08)

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Zahlung einer Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung nach Art. 4 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004.

Der Kläger buchte für sich und seine Lebensgefährtin, die ihre Ansprüche an ihn abgetreten hat, bei der Beklagten für den ... September 2006 eine Flugreise von O3 nach 02. Der Flug ... von O3 nach O1 sollte planmäßig um 7:25 Uhr starten und um 8:45 Uhr ankommen. Der Weiterflug ... von O1 nach O2 war planmäßig für 10:35 Uhr vorgesehen. Tatsächlich startete der Flug in O3 wegen überfüllten Luftraums und Nebels in O1 erst um 8:35 Uhr. Die Landung in O1 erfolgte um 9:43 Uhr; der Transferbus kam um 10:10 Uhr am Terminal an. Der Kläger und seine Lebensgefährtin erreichten zu Fuß um 10:18 Uhr das Abflugterminal und um 10:20 Uhr den Check-in-Schalter, wo sie die Mitteilung erhielten, dass das Boarding bereits abgeschlossen sei. Der Kläger und seine Lebensgefährtin wurden erst mit der Maschine des nächsten Tages nach O2 geflogen.

Der Flug ... von O1 nach O2 vom ... September 2006 war ausweislich eines von der Beklagten vorgelegten Computerausdrucks nur zu 71,3 % ausgebucht. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hatten ihr Gepäck in O3 bis nach O2 aufgegeben, allerdings noch keinen boarding-pass für den Flug nach 02 erhalten.

Der Kläger ist der Auffassung, es habe sich um eine Nichtbeförderung i.S.v. Art. 4 VO (EG) Nr. 261/2004 gehandelt, so dass ihm und seiner Lebensgefährtin eine Ausgleichszahlung von 600 EUR pro Person zustünde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 65-67 d.A.) Bezug genommen.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Nichterreichen des Flugs ... von O1 nach O2 handele es sich nicht um einen Fall der willentlichen Nichtbeförderung i.S.d. Art. 4 der VO (EG) Nr. 261/2004. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hätten den Flug einfach nicht erreicht, weil das check-in tatsächlich nicht mehr möglich gewesen sei. Es könne dahin stehen, ob das check-in bereits in O3 hätte durchgeführt werden können oder ob bereits dort eine Boardingkarte hätte ausgehändigt werden müssen. Auf ein Verschulden komme es nicht an, da über Art. 4 der VO lediglich Fälle der Überbuchung entschädigungspflichtig seien. Ein solcher Fall habe hier nicht vorlegen; der Kläger hätte angesichts des substantiierten Vortrags der Beklagten darlegen müssen, warum der von ihr vorgelegte Computerausdruck nicht der Wahrheit entspräche. Zudem habe der Grund für die Nichtbeförderung nicht in einer etwaigen Überbuchung, sondern in dem nicht rechtzeitigen Erreichen des Check-In-Schalters gelegen.

Die vorliegende Verspätung habe sich auch im Rahmen der nicht ausgleichspflichtigen Entschädigung gehalten. Schließlich sei die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, auf das Problem der Karenzzeiten hinzuweisen.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 67-69 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 23.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 5.12.2007 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.2.2008 mit einem am 12.2.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein entschädigungspflichtiger Fall einer Nichtbeförderung vorläge. Die VO (EG) Nr. 261/2004 unterscheide in der Legaldefinition des Art. 2 nicht wegen des Grundes der Nichtbeförderung. Zudem sei nach Art. 3 Abs. 2b) der VO (i.V.m. Art. 2j) eine Bedingung für die Anwendung der Verordnung, dass die Fluggäste von einem Luftfahrtunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Auch aus dieser Formulierung sei zu schließen, dass die einschränkende Auslegung des Art. 4 durch das AG nicht vom Willen des Verordnungsgebers getragen sei, der vielmehr einen umfassenden Schutz der Passagiere vor Nichtbeförderung/Annullierung der Flüge habe schaffen wollen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des AG Frankfurt/M. vom 7.11.2007 - 32 C 110/07 - 90, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die VO (EG) Nr. 261/2004 habe mit Art. 4 den bereits durch die VO (EG) 295/91 geregelten Sachverhalt einer "denied boarding compensation" übernommen und lediglich durch zwei weitere entschädigungspflichtige Tatbestände, die Annullierung und die Verspätung, ergänzt. Zudem stelle Art. 3 Abs. 2b) der VO keine Generalklausel dar, die Art. 3 Abs. 2a) überflüssig machen würde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsät...

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