Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Steuerberaters wegen Nachforderung von Sozialversicherungsbeträgen
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.11.2021; Aktenzeichen 2-19 O 124/21) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2-19 O 124/21, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach den Urteilen vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen einer Nachforderung der Sozialversicherungsbeträge ihrer beiden Gesellschafter-Geschäftsführer seitens der Deutsche Rentenversicherung in Anspruch.
Der Beklagte zu 2. war als Steuerberater für die Klägerin tätig und war auch mit deren Lohnbuchhaltung betraut. Hierbei wurden die beiden Geschäftsführer der Klägerin als selbständig behandelt und deshalb für sie keine Sozialversicherungsbeträge abgeführt.
Eine für den Prüfungszeitraum vom 1.1.2011 bis 31.12.2014 durchgeführte sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung blieb unbeanstandet, ohne dass die Deutsche Rentenversicherung (künftig: DRV) die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin als sozialversicherungspflichtig erachtet hätte.
Im Februar 2019 veräußerte der Beklagte zu 2. seine Steuerberaterpraxis mit Wirkung zum 1.4.2019 an die Beklagte zu 1.
Anlässlich einer Prüfung für den Zeitraum 1.1.2015 bis 31.8.2018 ordnete die DRV die Geschäftsführer der Klägerin als sozialversicherungspflichtig ein und forderte von ihr (Klägerin) Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 68.247,14 EUR nach.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagten es pflichtwidrig unterlassen hätten, sie sozialversicherungsrechtlich zu beraten. Wäre sie vom Beklagten zu 2. darauf hingewiesen worden, dass die Sozialversicherungspflicht ihrer geschäftsführenden Gesellschafter bei entsprechender Umgestaltung des Gesellschaftsvertrages entfallen könnte, hätte sie diesen abändern lassen oder zumindest zur Rechtssicherheit ein Statusfeststellungsverfahren durchführen können. Als Rechtsnachfolgerin der Steuerberatungspraxis des Beklagten zu 2. hafte auch die Beklagte zu 1. für die Rückforderungsbeiträge.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 60.000,00 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, weil es an einer Pflichtverletzung des Beklagten zu 2. fehle und die Klägerin zudem einen etwaigen Schaden nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt habe. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort S. 4-7, Bl. 131-134 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das am 29.11.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin 24.12.2021 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 26.1.2022 wie folgt begründet:
Die Beklagte zu 1. sei passivlegitimiert. Wenn sie sich - wie hier - einfach das Recht herausnehme, die Mandatsverhältnisse ohne Rücksprache mit den Mandanten auf sich umzuleiten, so hafte sie auch aus Gründen des Rechtsscheins.
Dass die Vor-Betriebsprüfung die Frage der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter nicht aufgegriffen habe, entlaste den Beklagten zu 2. nicht. Denn ab etwa 2012 habe sich langsam ein Wandel der Rechtsprechung abgezeichnet, nach der bislang zum Ausschluss der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einer GmbH ausgereicht habe, dass diese - zumeist bei familiärem Hintergrund - als "Kopf und Seele" einer Gesellschaft fungierten, auch wenn sie nicht über die erforderliche Kapitalmehrheit verfügten. Endgültig habe das Bundessozialgericht mit Urteil vom 29.7.2015, Az.: B 12 KR 23/13 R, klargestellt, dass diese "Kopf und Seele"-Rechtsprechung im Beitragsrecht für die Statusfeststellung von Angestellten einer Familiengesellschaft nicht mehr heranzuziehen sei. Um der Aufgabe der Lohnbuchhaltung sachgemäß und fehlerfrei gerecht zu werden, hätte der Beklagte zu 2. auch diese Rechtsprechung in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern überwachen bzw. sich in dieser Hinsicht qualifizierten Rechtsrat einholen müssen. Nach § 5 Abs. 1 RDG wäre dem Beklagten zu 2. die sozialversicherungsrechtliche Beratung in Bezug auf die spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkte einer Lohn- und Gehaltsabrechnung auch erlaubt gewesen.
Spätestens ab 2015 hätte der Beklagte zu 2. somit bei der Erstellung der Lohnbuchführung Sozialversicherungsbeiträge für die Gesellschafter-Geschäftsführer abführen müssen. Die Pflichtverletzung sei darin begründet, dass er dem nicht nachgekommen sei. Ansonsten hätten ihre (Klägerin) Geschäftsführer sogleich nach Vorlage der ersten Lohnabrechnung mit Abzug von Arbeitnehmerbeiträ...