Entscheidungsstichwort (Thema)
Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch Überreaktion
Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 4 O 102/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Limburg v. 27.10.2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger ist mit 11.796,06 DM beschwert.
Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige, insb. frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat auch Erfolg. Dem Kläger steht nach seinem eigenen Vorbringen ein Anspruch auf Zahlung der bedingungsgemäßen Entschädigung für das behauptete Unfallereignis v. 29.8.1998 gegen die Beklagte nicht zu.
Ein Anspruch des Klägers gem. §§ 1, 49 VVG i.V.m. §§ 12 Abs. 1 1d AKB hätte vorausgesetzt, dass ein Zusammenstoß mit Haarwild zu dem Schaden an dem Teilkasko versicherten Pkw geführt hat. Der Senat folgt der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal „durch einen Zusammenstoß” nicht vorlag und diese Kollision zu dem zurechenbaren Schaden geführt hat (vgl auch BGH v. 18.12.1991 – IV ZR 204/90, MDR 1992, 653 = Recht und Schaden 1992, 77 [82] = VersR 1992, 349; BGH v. 18.12.1996 – IV ZR 321/95, MDR 1997, 348 = VersR 1997, 351; OLG Frankfurt v. 2.9.1992 – 21 U 243/91, OLGR Frankfurt 1992, 184 = NJW-RR 1993, 355; OLG Frankfurt v. 7.3.1984 – 13 U 90/83, VersR 1985, 851; OLG Hamm v. 9.1.1987 – 20 U 263/86, NJW-RR 1987, 985; OLG Hamm Recht und Schaden 1994, 167; OLG Köln v. 19.5.1982 – 12 U 87/81, VersR 1983, 122; Bruck/Möller/Johannsen „Versicherungsvertragsgesetz”' 8. Aufl., Bd. V Anm. 759). Hierbei genügte es, dass der Zusammenstoß mit dem Wild die adäquate Ursache für späteres zum Unfall führendes Fehlverhalten des Fahrzeugführers war, nicht war es erforderlich, dass die Kollision mit dem Haarwild wesentliche Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn und dem sich anschließenden Unfall gewesen ist. Von einem solchen adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen dem behaupteten Zusammenstoß des versicherten Pkw mit einem Fuchs kann jedoch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger nach seiner eigenen Darstellung eine grob fahrlässige Überreaktion gezeigt hat (vgl. auch BGH VersR 1992, 343; Recht und Schaden 1997, 98; OLG Karlsruhe ZFS 1993, 308; OLG Nürnberg Recht und Schaden 1997, 35; OLG Hamm Recht und Schaden 1998, 53). Die von dem Kläger behauptete Ausweichbewegung nach einem leichten Zusammenstoß mit dem Fuchs stellte eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalles dar. Der Senat folgt der Ansicht, dass Ausweichbewegungen vor kleinen und verhältnismäßig leichten Tieren wie einem Fuchs unverhältnismäßig sind, da damit das hohe Risiko eines ungleich höheren Schadens an dem versicherten Pkw durch eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung in Kauf genommen wird (vgl. auch OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1999, 404; OLG Köln Recht und Schaden 2000, 96; OLG Köln Recht und Schaden 1998, 365 f.). Auch Gründe des Tierschutzes rechtfertigen es nicht, eine solche behauptete Ausweichhandlung als gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen, da im Rahmen der Abwägung es allein auf die Wertdifferenz zwischen dem versicherten Fahrzeug und dem möglicherweise gefährdeten Tier ankommt. Da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers er in einer Schreckreaktion nach dem Zusammenstoß mit dem Fuchs von der Fahrbahn abgekommen ist, lag hierin eine grob fahrlässige Überreaktion, so dass ein Zurechnungszusammenhang mit dem behaupteten Zusammenstoß mit dem Fuchs nicht besteht.
Der Kläger hat auch nicht das Vorliegen eines Anspruches auf Rettungskostenersatz gem. §§ 63, 62 VVG dargelegt. Der Senat folgt der Ansicht, dass ein Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung dann bestehen kann, wenn ein Fahrer zur Abwendung oder Geringhaltung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles ein Ausweichmanöver vornimmt und dabei einen Schaden durch Abkommen von der Fahrbahn an seinem Fahrzeug erleidet. Die in § 62 Abs. 1 S. 1 VVG normierte Rettungspflicht des Versicherungsnehmers setzt nicht voraus, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, vielmehr ist es Zweck der Begründung von Rettungspflichten gerade, den Eintritt eines bevorstehenden Versicherungsfalles zu verhindern (vgl. BGH v. 20.2.1991 – IV ZR 202/90, BGHZ 113, 359 = MDR 1991, 1042 = NJW 1991, 1609; BGH v. 13.7.1994 – IV ZR 250/93, MDR 1995, 43 = VersR 1994, 1181; BGH v. 18.12.1996 – IV ZR 321/95, MDR 1997, 348 = VersR 1997, 351 f.; OLG Braunschweig v. 14.10.1993 – 1 U 16/93, VersR 1994, 1293; OLG Frankfurt ZFS 1995, 342; OLG Hamm Recht und Schaden 1994, 167; OLG Karlsruhe Recht und Schaden 1999, 402; OLG Köln Recht und Schaden 1997, 52; OLG Schleswig Recht und Schaden 1995, 290). Der Senat kann es offen lassen, ob angesichts der geringen Größe des Haarwildes, mit dem nach der Darstellung des Klägers ein Unfall drohte, überh...