Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 14.07.2022; Aktenzeichen 9 O 316/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.07.2022 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten in deren Eigenschaft als Fahrzeugherstellerin Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenkauf vor dem Hintergrund des sog. "Dieselskandals" im weiteren Sinne.

Die Klägerin erwarb am 10.7.2018 bei einem Händler einen Gebrauchtwagen VW Golf Comfortline BlueTDI 1.6, 81 kW, EZ: 22.12.2015, zu einem Kaufpreis von 12.600,00 EUR. Das Fahrzeug, das mit einem Motor des Typs EA 288, Schadstoffklasse Euro 6, ausgestattet ist und über einen NOx-Speicherkatalysator (NSK) verfügt, hatte bei Übergabe an die Klägerin einen km-Stand von 94.945 km.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, durch das die Klage abgewiesen worden ist.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung ihr erstinstanzliches Begehren unter Bekräftigung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages weiter. Die Beklagte tritt dem unter Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung entgegen.

Die Parteien haben jeweils Stellung genommen zu und nach den Entscheidungen des BGH vom 26.06.2023 (VIa ZR 1031/22, VIa ZR 335/21 und VIa ZR 533/21, jeweils juris) in Hinblick auf ihr jeweiliges Rechtsschutzziel. Die Klägerin begehrt nun hilfsweise die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Differenzschadensersatzes in Höhe von 5% - 15% des Kaufpreises des Fahrzeugs.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Ferner hat die Klägerin weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungs-erheblichen Tatsachenfeststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

1) Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung kommen nicht in Betracht, weil zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Kaufvertrag über das betroffene Fahrzeug nicht geschlossen worden ist. Eine Schadensersatzpflicht kann daher hieraus nicht folgen.

2) Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB sind ebenso nicht gegeben. Die Beklagte haftet nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Sachwalterhaftung. Diese Rechtsfigur basiert darauf, dass nach deutschem Recht unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch ein Dritter, der nicht Vertragspartei werden soll, aber an den Vertragsverhandlungen als Vertreter, Vermittler oder Sachwalter einer Partei beteiligt ist, wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen haften soll (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 268/02 -, juris). Voraussetzung einer derartigen Sachwalterhaftung sind sowohl ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Dritten am Zustandekommen des Vertrages als auch die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Sachwalter ist, wer, ohne Vertragspartner oder dessen Vertreter zu sein, auf der Seite eines Vertragspartners an dem Zustandekommen des Vertrages beteiligt ist und dabei über das bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen immer vorauszusetzende normale Verhandlungsvertrauen hinaus in besonderem Maße Vertrauen für sich persönlich in Anspruch nimmt und auf diese Weise dem anderen Vertragspartner eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts bietet (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1997 - VIII ZR 356/95 -, juris). Vorliegend fehlt es bereits an dem erforderlichen unmittelbaren Interesse der Beklagten an dem zwischen der Klägerin und einer anderen juristischen Person geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug, da das allgemeine Absatzinteresse der Beklagte an Fahrzeugen aus ihrer Herstellung hierfür nicht genügt.

3) Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte als Fahrzeugherstellerin liegen, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ebenso nicht vor.

Die Implementierung des Thermofensters und der Fahrkurve zur Steuerung der Abgasnachbehandlung über den NSK in der Motorsteuerungssoftware führen zu keiner Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB.

a) Das im vorliegenden Fall zum Einsatz kommende Thermofenster erfüllt schon nicht die tatbestandlichen ...

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