Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Skandal: Kein Anspruch gegen Hersteller bei Fahrzeug mit Motor EA288

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Regel besteht bei einem sogenannten "späten Kauf" eines Fahrzeugs mit dem Motor EA288 kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller.

2. Ein etwaiger Differenzschaden bei einem vom Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeug verbleibt nicht, wenn er nach Abzug von Restwert des Fahrzeugs und Nutzungsentschädigung durch den Wert eines angebotenen Software-Updates gänzlich aufgezehrt wird. Der Restwert ist auch in Abzug zu bringen, wenn das Fahrzeug noch nicht veräußert wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 254, 823

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 23.07.2021; Aktenzeichen 1 O 163/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 23.7.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren ist nur noch über die mit Schriftsatz vom 18.1.2024 angekündigten Anträge, gerichtet auf Ersatz des Differenzschadens nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu befinden (zum Verhältnis zu dem erstinstanzlich abgewiesenen Anspruch auf großen Schadensersatz vgl. BGH, Urteil vom 25.9.2023 - VIa ZR 1687/22, Rn. 12, juris; Urteil vom 26.6.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 45, juris).

1. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Differenzschadens. Denn dieser ist im Streitfall bereits aufgezehrt. Insofern gelten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum "kleinen" Schadensersatz nach § 826 BGB sinngemäß für die Berechnung des Differenzschadens.

Entgegen der vom Kläger herangezogenen vereinzelten Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Urteil vom 6.10.2023 - 3 U 183/21, Rn. 51 ff., juris) ist hierbei der Restwert des Fahrzeuges im Wege der Vorteilsausgleichung ohne Rücksicht darauf anzurechnen, ob der Restwert durch eine Weiterveräußerung realisiert wurde. Dies ist höchstrichterlich bereits entschieden (BGH, Urteil vom 27.11.2023 - VIa ZR 159/22, Rn. 13, juris).

Außerdem muss sich der Kläger im Rahmen der Vorteilsausgleichung entgegenhalten lassen, dass er das unstreitig angebotene Softwareupdate bislang nicht installiert hat. Denn für den Vorteilsausgleich ist von Bedeutung, in welchem Umfang das Aufspielen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates geeignet gewesen wäre, das Fahrzeug nachträglich aufzuwerten. Wenn sich der Käufer dem Aufspielen eines solchen Updates verschließt, verstößt er gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen und muss sich bei der Bemessung des Differenzschadens gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als hätte er einen aus dem Software-Update resultierenden Vorteil tatsächlich erzielt (BGH, Urteil vom 23.10.2023 - VIa ZR 468/21, Rn. 14, juris, m.w.N.).

Die Summe aus den Nutzungsvorteilen, die der Kläger gezogen hat, und dem Restwert des Fahrzeuges sowie des zu schätzenden Wertvorteils des angebotenen, aber nicht durchgeführten Softwareupdates übersteigen im Streitfall den gezahlten Kaufpreis des Fahrzeuges.

a) Die gezogenen Nutzungsvorteile sind mit 12.391,65 EUR zu beziffern. Zur Berechnung hat der Senat die gefahrenen Kilometer mit dem Kaufpreis multipliziert und durch die Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt dividiert. Die Restlaufleistung des Fahrzeuges im Erwerbszeitpunkt betrug 220.711 km, weil der Senat bei Fahrzeugen wie dem hiesigen von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgeht. Die Annahme, die zu erwartende Gesamtlaufleistung mit 250.000 km zu bemessen, ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mehrfach nicht beanstandet worden (vgl. BGH, Urteile vom 30.7.2020 - VI ZR 354/19, Rn. 15, juris; vom 29.9.2021 - VIII ZR 111/20, Rn. 56 ff., juris). Am 20.2.2024 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 122.000 km auf. Multipliziert man die vom Kläger gefahrenen Kilometer mit dem Kaufpreis und teilt das Ergebnis durch die Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt, ergibt sich eine anzusetzende Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.391,65 EUR.

b) Den Restwert schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 16.500 EUR. Basis für die Schätzung bilden die öffentlich zugänglichen Datenbanken im Internet, insbesondere DAT sowie Verkaufsportale wie www.(...).de und www.(...).de. Die Bewertung bei DAT ergab unter konkreter Berücksichtigung der Konfiguration des Klägerfahrzeuges - wie von der Beklagten substantiiert dargelegt wurde - einen Re...

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