Leitsatz (amtlich)
Der Kennzeichnungspflicht nach § 42 EnWG unterliegt Werbematerial, das Letztverbrauchern übersandt bzw. ausgehändigt wird. Von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen. Die Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht für Zeitungswerbung gilt für einfache Werbeanzeigen in Zeitungen, nicht jedoch für Prospektbeilagen in Zeitungen, die an Abonnenten übersandt werden.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 13 O 30/08) |
Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.
1.
Soweit sich die Berufung gegen den Untersagungsausspruch zu Ziffer 2 der einstweiligen Verfügung vom 25.3.2008 richtet, ist sie erfolgreich.
Ein Preisvergleich ist grundsätzlich auch dann objektiv, wenn der Werbende nur eines oder mehrere, aber nicht alle in Betracht kommenden Produkte eines Mitbewerbers in den Vergleich einbezieht, sondern gerade die Produkte für den Vergleich auswählt, bei denen eine für ihn günstige Preisdifferenz besteht (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 6 Rn. 55).
Eine vergleichende Preiswerbung für einen Ökostromtarif erfordert deshalb grundsätzlich nicht, auch den Ökostromtarif des Mitbewerbers in den Vergleich einzubeziehen. Die Werbung eines Energieversorgungsunternehmens ist nicht schon allein deswegen irreführend, weil es den eigenen Ökostromtarif nur mit den Tarifen eines Wettbewerbers für Strom aus nicht erneuerbaren Energien vergleicht, aber dessen Ökostromtarif verschweigt.
Etwas anderes kommt zwar dann in Betracht, wenn eine Werbeanzeige den Eindruck erweckt, im Verhältnis zwischen den verglichenen Tarifen der Parteien sei (sogar) der - normalerweise teurere - Ökostromtarif ausnahmsweise günstiger als der - normalerweise billigere - Normaltarif der Mitbewerberin, obwohl diese ebenfalls einen Ökostromtarif anbietet, der günstiger ist als beide im Vergleich genannten Tarife (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 24.07.2008, 6 U 73/08, GRUR-RR 2008, 410). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, denn der Ökostromtarif der Klägerin (657,30 EUR bei einem Jahresverbrauch von 3000 kWh) ist hier teurer als der Ökostromtarif der Beklagten (648,65 EUR bei einem Jahresverbrauch von 3000 kWh) und teuerer als einer der in den Vergleich einbezogenen Normaltarife.
Unmaßgeblich ist, ob die Werbebroschüre den Eindruck erweckt, die Verfügungsbeklagte sei ein reiner Ökostromanbieter, denn dies hat keine Relevanz für die Frage, ob die Verfügungsbeklagte darauf hinweisen muss, dass auch die Verfügungsklägerin einen Ökostromtarif anbietet.
Die Werbebroschüre könnte hier zwar deswegen irreführend sein, weil ihre Aufmachung möglicherweise suggeriert, die Verfügungsklägerin biete keinen Ökostromtarif an, weshalb Kunden der Verfügungsklägerin - wenn sie Ökostrom wählen - den Stromlieferanten wechseln müssten. In diesem Sinne könnte der Einleitungssatz auf Seite 2 der Werbebroschüre "Stadt1 atmet auf - weniger CO2 dank 100% Ökostrom" darauf hindeuten, es könne nun erstmals bei der Beklagten auch in Stadt1 ein Ökostromtarif gewählt werden.
Ob eine Irreführung in diesem Sinn vorliegt, kann jedoch letztlich offen bleiben, denn der Antrag und der ihm entsprechende Tenor gehen über die konkrete Verletzungsform unzulässig hinaus. Der Untersagungsausspruch zu Ziffer 2 kann insoweit auch nicht mit einem einschränkenden auf die konkret verwendete Werbebroschüre bezogenen Zusatz aufrechterhalten werden. Es wäre dann nämlich nicht hinreichend bestimmt, welche Elemente der Werbebroschüre die Verfügungsbeklagte nicht mehr verwenden darf, um einen irreführenden Gesamteindruck zu vermeiden.
2.
Ganz überwiegend erfolglos ist die Berufung, soweit sie sich gegen den Untersagungsausspruch zu Ziffer 3 der einstweiligen Verfügung vom 25.3.2008 richtet.
Die Beklagte trifft insoweit der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, weil die Werbebeilage nicht die gesetzlich geforderten Pflichtangaben nach § 42 EnWG enthält.
Bei § 42 EnWG handelt es sich gemäß der Zielsetzung des Gesetzes um eine Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Produktbezogene Kennzeichnungsvorschriften dienen nämlich durchweg dem Schutz der Verbraucher und stellen somit Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 11 dar (Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 11.118 ff.).
Die streitbefangene Werbebeilage unterliegt der Kennzeichnungspflicht gemäß § 42 EnWG, soweit sie Tageszeitungen beigelegt wird, die an Abonnenten versandt werden.
§ 42 Abs. 1 EnWG verpflichtet Elektrizitätsversorgungsunternehmen, in oder als Anlage zu ihren Rechnungen an Letztverbraucher und in an diese gerichtetem Werbematerial Angaben gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG zu machen. Mit der Formulierung "in an diese gerichtetem Werbematerial" ist eine Beschränkung der Kennzeichnungspflicht auf bestimmte Formen der Werbung beabsichtigt. Das ergibt sich zwar noch ni...