Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen Presseorgan und kritisiertem Unternehmen; Absatzförderungszusammenhang zugunsten Dritter durch kritischen Medienbeitrag
Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem Presse- oder Medienbeitrag kritisch über ein Unternehmen berichtet, begründet dies nicht allein deswegen ein (mittelbares) Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Presse- oder Medienorgan, weil sich beide an denselben Interessentenkreis richten und der Beitrag unmittelbar in die Interessensphäre des Unternehmens eingreift.
2. Ein kritischer Presse- oder Medienbeitrag über ein Unternehmen stellt sich grundsätzlich auch nicht als geschäftliche Handlung zugunsten der Konkurrenten des Unternehmens dar, da es insoweit regelmäßig an dem erforderlichen Absatzförderungszusammenhang (nach altem Recht: Wettbewerbsabsicht) fehlt. Etwas anderes kann dann gelten, wenn das Presse- oder Medienorgan mit einem Konkurrenten des Unternehmens personell und gesellschaftsrechtlich verflochten ist und die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass bei der Veröffentlichung des Beitrags neben dem Ziel der Information und Meinungsbildung auch andere, wettbewerbsspezifische Motivationen eine nicht ganz untergeordnete Rolle gespielt haben; bei dieser Beurteilung kann auch auf Form und Inhalt des Beitrags selbst zurückgegriffen werden.
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.03.2014; Aktenzeichen 3-8 O 6/14) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 19.3.2014 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt geschlossene Immobilienfonds und bietet Beteiligungen hieran an. Die Antragsgegnerin unterhält auf ihrer Webseite ein Informationsportal über Kapitalanlagen; sie ist mit einem Vertreiber von Kapitalanlagen gesellschaftsrechtlich und personell verflochten, dessen Angebote auch auf der Webseite der Antragsgegnerin unter der Rubrik "Fonds" über einen Link erreichbar sind. Die Antragsgegnerin veröffentlichte innerhalb der Rubrik "Community & Forum", in der sich überwiegend Beiträge von Nutzern zu selbst gewählten Themen finden, unter der Überschrift "..." einen eigenen Beitrag, der sich mit der Antragstellerin befasst. Die Antragstellerin sieht in diesem Beitrag, der nach ihrer Auffassung auch eine unzutreffende Tatsachenbehauptung enthält, eine getarnte redaktionelle Werbung. Sie nimmt die Antragsgegnerin im Wege des Eilverfahrens daher auf Unterlassung in Anspruch. Das LG hat die zunächst erlassene Beschlussverfügung durch Urteil aufgehoben und den Eilantrag zurückgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Antragstellerin das Eilbegehren weiter.
Von der weiter gehenden Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das LG mit Recht angenommen hat, steht der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche (§ 4 Nr. 7, 8 UWG) scheiden aus, weil das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin nicht als eine geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG) eingestuft werden kann, gegen die die Antragstellerin - die Unlauterkeit dieses Verhaltens unterstellt - als Mitbewerberin vorgehen könnte (§ 8 III Nr. 1 i.V.m. § 2 I Nr. 3 UWG).
a) Zwischen den Parteien selbst besteht kein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 I Nr. 3 UWG.
An einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis fehlt es, weil zwischen den von den Parteien erbrachten Leistungen - dem Angebot von Fonds einerseits und dem Betrieb eines Informationsportals über Kapitalanlagen - kein funktionales Austauschverhältnis (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rz. 98 zu § 2 UWG m.w.N.) angenommen werden kann.
Auch ein - durch die konkrete Verletzungshandlung begründetes - "mittelbares" Wettbewerbsverhältnis besteht im vorliegenden Fall nicht. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 1972, 553 - Statt Blumen ONKO-Kaffee; GRUR 2004, 877 - Werbeblocker, juris-Tz. 21; GRUR 2014, 573 - Werbung für Fremdprodukte, juris-Tz. 17) grundsätzlich möglich, dass Unternehmen ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Branchen durch die angegriffene Handlung auf einem bestimmten Markt miteinander in Wettbewerb treten. Dies kann hier jedoch nicht allein deshalb angenommen werden, weil sich die Antragstellerin mit ihren geschlossenen Immobilienfonds einerseits und die Antragsgegnerin mit ihrem Informationsportal für Kapitalanlagen andererseits an denselben Interessentenkreis richten und die Antragsgegnerin mit dem beanstandeten Verhalten unmittelbar in die Interessensphäre der Antragstellerin eingreift. Denn diese Auswirkung ist mit jedem kritischen Presseartikel über ein Unternehmen verbunden, ohne dass hierdurch ein Wettbewerb zwischen Presseorgan und kritisiertem Unternehmen auf einem bestimmten Markt ...