Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Internet gegenüber Fachkreisen für ein Arzneimittel geworben, müssen die gem. § 4 Abs. 1 HWG erforderlichen Pflichtangaben in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit dieser Werbung stehen. An der erforderlichen engen Verbindung fehlt es, wenn der Adressat der Werbung drei Zwischenschritte (Anklicken) benötigt, um die Pflichtangaben für das einzelne Arzneimittel einsehen zu können.
2. Allein der Umstand, dass eine Arzneimittelwerbung im Internet verbreitet wird, führt nicht dazu, dass es sich bei dieser Werbung um eine audio-visuelle Werbung i.S.v. § 4 Abs. 5 HWG handelt.
Normenkette
HWG § 4 Abs. 1 und Abs. 5; UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 489/01) |
Tenor
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 255.645 EUro (= 500.000 DM) festgesetzt.
Gründe
Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil diese bei Fortsetzung des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes aller Voraussicht nach unterlegen wäre. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, war der geltend gemachte Feststellungsantrag unbegründet, weil der Beklagten gemäß § 1 UWG i.V.m. § 4 HWG Abs. 1 ein Unterlassungsanspruch zusteht, wonach es der Klägerin verboten ist, auf ihrer Homepage für Fertigarzneimittel ohne die Wiedergabe der Pflichtangaben zu werben (so auch OLG München MD 2002, 533 [535] – Pflichtangaben).
Gegenstand des Rechtsstreits war die konkrete Verletzungsform, d.h. die aus den Anlagen K 1 bis K 3 ersichtliche Internet-Werbung der Klägerin für Arzneimittel. Es braucht daher vorliegend nicht entscheiden zu werden, ob es bei einer Arzneimittelwerbung gegenüber Fachkreisen im Internet ausreichend ist, dass ein Link innerhalb der Werbung für ein einzelnes Arzneimittel enthalten ist, welches sofort, d.h. ohne weitere Zwischenschritte zu den Pflichtangaben für dieses Arzneimittels führt. Gegen eine Zulässigkeit könnte allerdings sprechen, dass eine solche Präsentation der Pflichtangaben das Risiko birgt, dass sich der Arzt oder Apotheker, an den sich die Werbung richtet, einen Ausdruck dieser Werbung herstellt, ohne gleichzeitig die mit dem Link verbundenen Pflichtangaben auszudrucken. Nach § 4 Abs. 1 HWG muss die Arzneimittelwerbung der Klägerin die sog. Pflichtangaben „enthalten”. Die Verwendung des Begriffs „enthalten” macht deutlich, dass die Pflichtangaben in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit der übrigen Werbung stehen müssen. Sinn und Zweck der Pflichtangaben ist es, dass diese dem Arzt unmittelbar im Zusammenhang mit der Werbung für ein Arzneimittel zur Kenntnis gelangen. Die Pflichtangaben müssen daher als sachlich informativer Teil der Gesamtwerbung erkannt werden. Sie müssen eindeutig und unmittelbar der übrigen Werbung für das jeweilige Arzneimittel zugeordnet werden können und dürfen kein losgelöstes kommunikatives Eigenleben entfalten (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 4 Rz. 61; Gröning, Heilmittelwerbegesetz, § 4 Rz. 96). An der erforderlichen engen Verbindung zwischen den Pflichtangaben und der Werbung für die einzelnen Arzneimittel fehlt es hier.
Der Adressat der streitgegenständlichen klägerischen Internet-Werbung erreicht zunächst die Bewerbung der einzelnen klägerischen Arzneimittel (Anl. K 1). Wenn er die an der linken Seite der Website befindliche sogenannte „Navigationsbox” mit der Bezeichnung „Fachinfos” bzw. „Fachinformationen” anklickt, gelangt er nicht unmittelbar zu den Pflichtangaben der einzelnen beworbenen Arzneimittel. Statt dessen kommt er zunächst auf eine alphabetisch sortierte, mehrseitige Medikamentenliste (Anl. K 3). Erst wenn er aus dieser Übersicht das ihn interessierende Arzneimittel auswählt und nachfolgend anklickt, erhält er die entsprechenden Pflichtangaben i.S.v. § 4 HWG. Es sind mithin drei Zwischenschritte nötig, um die Pflichtangaben für das einzelne Arzneimittel einsehen zu können. Aufgrund des damit verbundenen Aufwandes besteht das Risiko, dass der Adressat der Werbung Informationen, die für seine Verordnungs- bzw. Kaufentscheidung maßgeblich sind, nicht erhält (BGH v. 7.6.1990 – I ZR 206/88, MDR 1990, 982 = GRUR 1991, 859 [860] – Leserichtung bei Pflichtangaben). Die Pflichtangaben stehen mithin nur in einem mittelbarem Zusammenhang mit der Bewerbung der Arzneimittel und sind deshalb nicht wie von § 4 Abs. 1 HWG verlangt in der Werbung „enthalten”.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 4 Abs. 5 S. 2 HWG berufen. Zum einen erscheint schon im Hinblick auf den Wortlaut des gem. § 4 Abs. 3 HWG erforderlichen Hinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker” grundsätzlich zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 5 HWG über den...