Verfahrensgang

AG Hamburg (Aktenzeichen 278 F 227/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 3.5.2021 in Ziff. 3 dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert auf 25.800 EUR festgesetzt wird.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beantragte die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung ihrer mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe. Das Familiengericht hat sowohl den Eheaufhebungs- als auch Ehescheidungsantrag abgewiesen und den Verfahrenswert nach der Angabe der Antragstellerin in der Antragsschrift mit dem dreifachen zusammengerechneten Monatseinkommen der Ehegatten auf 9.000 EUR festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Verfahrenswertbeschwerde mit der er in erster Linie eine Verdoppelung des Verfahrenswertes anstrebt aber auch darauf verweist, dass das zusammengerechnete Einkommen der Ehegatten - unstreitig - nicht 3.000 EUR, sondern 4.300 EUR mntl. beträgt.

Der Einzelrichter hat das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. §§ 59 Abs. 1 S. 5, 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG auf den Senat übertragen.

II. Die gem. § 59 Abs. 3 FamGKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG zulässig von dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners im eigenen Namen erhobene Verfahrenswertbeschwerde ist begründet. Für den Antrag auf Eheaufhebung einerseits und Ehescheidung andererseits sind jeweils gesonderte Verfahrenswerte anzusetzen, die nicht aufeinander anzurechnen sind.

Gem. § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG wird ein Hilfs- und Hauptantrag zusammengerechnet, soweit über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht. Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerin hat in der Hauptsache die Aufhebung der Ehe und hilfsweise deren Scheidung beantragt. Das Familiengericht hat beide Anträge in der Sache abgewiesen und damit auch über den Hilfsantrag entschieden. Gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG sind die Ansprüche trotz der Regelung in Satz 2 aber dann nicht zusammenzurechnen, wenn sie denselben Gegenstand betreffen. Dann ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

Die Frage ob die Anträge auf Aufhebung und Scheidung der Ehe denselben Gegenstand im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG betreffen, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.

Eine Ansicht sieht in dem Antrag auf Eheaufhebung einerseits und Ehescheidung andererseits verschiedene Gegenstände und gelangt so zu einer Verdoppelung des Wertes der Ehesache bei einer Kombination von Eheaufhebungs- und Ehescheidungsantrag in Form des Haupt- und Hilfsantrages (z.B. OLG Zweibrücken, FamRZ 2002, 255; Scheider in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, § 39 FamGKG Rn. 7; Türck-Brocker in Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, § 43 Rn. 83; Schneider, NZFam 2015, 551; Groß/Eder in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, 5. Auflage 2020, § 37 Rn. 266-274; Jungbauer, Das familienrechtliche Mandat - Abrechnung in Familiensachen, Rn. 265). Angeführt wird, dass Aufhebung und Scheidung der Ehe unterschiedliche Voraussetzungen haben und auch die Rechtsfolgen nicht identisch sind.

Die Gegenansicht nimmt an, es handele sich bei Eheaufhebung und Ehescheidung um denselben Gegenstand (KG, FamRZ 2011, 667 allerdings zu § 15 RVG "dieselbe Angelegenheit"; Madert AGS 2003, 381 (385); Madert/Müller-Rabe, Kostenhandbuch Familiensachen, B Rn. 24). Beide Anträge würden dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die Auflösung der Ehe ex nunc. § 126 Abs. 3 FamFG ordne zudem an, dass zwingend nur einem von beiden Anträgen stattgegeben werden könne.

Der Senat hat die Frage bislang nicht entschieden und sie vielmehr in einem Beschluss durch den Einzelrichter offen gelassen (Beschluss vom 27.1.2004, 2 WF 126/03).

Nach Übertragung des Verfahrens auf den Senat folgt dieser nunmehr der ersten Ansicht, nach der es sich bei Eheaufhebung und Ehescheidung nicht um denselben Gegenstand im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG handelt.

Der BGH definiert den Begriff "denselben Gegenstand" wie folgt (für § 19 GKGaF, der aber identisch mit § 39 FamGKG ist):

"Die Werte von Klage und Widerklage werden nach § 19 I GKG a.F. zusammengerechnet, sofern die Ansprüche wirtschaftlich nicht denselben Gegenstand betreffen. Zweck der Vorschrift ist es, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklage die Arbeit des Gerichts vereinfacht (Schneider, MDR 1977, 177 [180]). Deshalb kommt es nicht auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff an, von dem § 19 I GKG a.F. auch nicht spricht (BGH, NJW 1994, 3292 unter 3b; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 5 Rdnr. 48; Schwerdtfeger, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl., § 5 Rdnr. 40). Der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff der Vorschrift erfordert vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine "wirtschaftliche Werthäufung" entsteht (vgl. dazu BGH, NJW-RR 1987, 1148; Smid, in: Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 5 Rdnrn. 1 u. 13)...

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