Leitsatz (amtlich)
1) Für Versicherungsverträge, die nach dem 01.01.2008 abgeschlossen worden sind, führen fehlende Angaben zur Antragsbindungsfrist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 12 VVG-InfoV nicht zu einem ewigen Widerrufsrecht (Anschluss an OLG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2023 - 18 U 33/22; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 29.11.2023 - IV ZR 117/22).
2) Für die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 12 VVG-InfoV besteht keine europarechtliche Grundlage. Im Rahmen der Prüfung, ob es dem klagenden Versicherungsnehmer jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf das Fehlen der Angaben zur Antragsbindungsfrist zu berufen, kommt daher allein nationales Recht (§ 242 BGB) zur Anwendung. Besonders gravierende Umstände, die bei der Prüfung eines Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. erforderlich wären (vgl. hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 19.07.2023 - IV ZR 268/21 Rn. 9), sind dabei nicht erforderlich.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 332 O 183/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.08.2023, Az. 332 O 183/21, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß §§ 529, 531 ZPO vom Senat zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
1. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückabwicklung des im April 2014 abgeschlossenen Riesterrentenversicherungsvertrags. Im Zeitpunkt der Ausübung des als Widerruf auszulegenden Widerspruchs mit Schreiben vom 22.04.2021 (Anlage DB4) war die 30tägige Widerrufsfrist bereits abgelaufen.
Nach dem hier maßgeblichen § 8 Abs. 2 VVG in der Fassung vom 27.07.2011 beginnt die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem die folgenden Unterlagen dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind:
1. der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen, nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG und
2. eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem Versicherungsnehmer seine Rechte entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels deutlich macht [...].
a) Entgegen der Auffassung des Klägers entspricht die dem Kläger im Versicherungsschein (Anlage DB3) erteilte Belehrung diesen Anforderungen in formeller Hinsicht. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs so deutlich gestaltet ist, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln. Der Kläger legt in seiner Berufungsbegründung hingegen - ohne weitere Erläuterung - den Maßstab des § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. zu Grunde, der im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig ist.
b) Der Kläger kann nicht mit Erfolg argumentieren, dass ihm die Verbraucherinformation gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Kosten) und § 1 Abs. 1 Nr. 12 (Antragsbindungsfrist) VVG-InfoV nicht vollständig vorgelegen hat.
aa) Zu Unrecht rügt der Kläger in der Berufungsbegründung, die Angaben zu den Verwaltungskosten seien unvollständig, da diese erst für die Zeit nach Rentenbeginn mitgeteilt würden; welche Kosten während des Verlaufs erhoben würden, werde nicht mitgeteilt. Der Kläger verkennt insofern, dass auf Seite 2 des Produktinformationsblatts Riester Care (Anlage B3) unter der Überschrift "Welche Kosten werden berücksichtigt?" ausdrücklich dargelegt wird, welche Abschluss- und Verwaltungskosten anfallen. Zudem wird dargelegt, dass die einmaligen Abschlusskosten gleichmäßig über die ersten 60 Monate verteilt werden, während die Verwaltungskosten bis zum Beginn der Rentenzahlung monatlich 6,90 EUR und im Rentenbezug 1,00 EUR pro 100,00 EUR Rente betragen.
bb) Das - hier unstreitige - Fehlen eines Hinweises auf die Antragsbindungsfrist hat im vorliegenden Einzelfall keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Bundesgerichtshof zum alten Recht (§§ 5a, 8 VVG in der Fassung vor dem 01.01.2008 in Verbindung mit der Anlage D Abschnitt I Nr. 1 lit. f) zu § 10 VAG a.F.) wiederholt entschieden hat, dass eine Verbraucherinformation unvollständig ist, wenn sie keine Angaben über die Frist enthält, während der ein Antragsteller an den Antrag gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2018 - IV ZR 68/17; Urteil vom 29.11.2023 - IV ZR 117/22).
Nach der Auffassung des Senats, der sich insofern der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urt...