Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 01.06.2016; Aktenzeichen 327 O 226/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 9.6.2016 wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 1.6.2016 (Az. 327 O 226/16) abgeändert:
I. Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,
für das Arzneimittel Zytiga® (Wirkstoff: Abirateronacetat) mit einer bevorzugten
Therapiesequenz Abirateronacetat gefolgt von Enzalutamid zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies im Newsletter der Ärztezeitung vom 3.5.2016 unter der Überschrift
"Womit starten - Abirateronacetat vor Enzalutamid?...Warum es günstig sein kann..." (Anlage 1)
und/oder
mit einem Infoletter "Liebe Leserin, lieber Leser,... das könnte die Reihenfolge beim sequentiellen Einsatz beeinflussen: Je nachdem... (Anlage 2) und dem darin jeweils verlinkten, in der Anlage beigefügten Bericht unter der Überschrift "Antihormonelle Therapie beim mCRPC-Sequenz beachten" (Anlage 3) geschehen ist.
II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Antragsgegnerin zur Last.
III. Der Beschwerdewert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 9.6.2016 gegen den Beschluss des LG Hamburg, ZK 27, vom 1.6.2016 ist begründet.
I. Die Antragstellerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen, dass das LG den geltend gemachten Unterlassungsantrag zurückgewiesen hat.
1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3a UWG 2015 i.V.m. § 3 HWG begründet.
a) Mit dem Unterlassungsantrag vom 25.5.2016 hat die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, für das Arzneimittel Zytiga® (Wirkstoff: Abirateronacetat) mit einer bevorzugten Therapiesequenz Abirateronacetat gefolgt von Enzalutamid zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies im Newsletter der Ärztezeitung vom 3.5.2016 unter der Überschrift
"Womit starten - Abirateronacetat vor Enzalutamid?...Warum es günstig sein kann..." (Anlage 1)
und/oder
mit einem Infoletter
"Liebe Leserin, lieber Leser,... das könnte die Reihenfolge beim sequentiellen Einsatz beeinflussen: Je nachdem... (Anlage 2)
und
dem darin jeweils verlinkten, in der Anlage beigefügten Bericht unter der Überschrift "Antihormonelle Therapie beim mCRPC - Sequenz beachten" (Anlage 3) geschehen ist.
Dieser Antrag ist auf die konkrete Verletzungsform gerichtet und zielt auf ein jeweils kumulatives Verbot von Newsletter (Anlage 1 = Anlage ASt 3) und Bericht (Anlage 3 = Anlage ASt 5) sowie von Infoletter (Anlage 2 = Anlage ASt 4) und Bericht (Anlage 3).
Die in den Antrag aufgenommen wörtlichen Zitate dienen lediglich dazu, das jeweilige Dokument konkret zu bezeichnen. Eine Beschränkung des geltend gemachten Verbots auf die zitierten Passagen ergibt sich daraus nicht.
Eine isolierte Verwendung von Newsletter (Anlage 1), Infoletter (Anlage 2) und Bericht (Anlage 3) oder eine kumulative Verwendung von Newsletter (Anlage 1) und Infoletter (Anlage 2) oder eine kumulative Verwendung von Newsletter (Anlage 1), Infoletter (Anlage 2) und Bericht (Anlage 3) sind hingegen nicht Gegenstand des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs.
b) Der Unterlassungsantrag ist begründet. Die Werbeunterlagen sind in den geltend gemachten Kombinationen irreführend.
aa) Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile enthält. Gemäß § 3 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil BGH, GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 5 Rdnr. 4.181).
Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 1971, 153, 155 - Tampax; BGH, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; BGH, GRUR 2002, 273, 274 - Eusovit; BGH, GRUR 2004, 72 - Coen...