Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Rechtsanwalt im streitigen Verfahren erster Instanz nur einen Auftraggeber und erst in der nachfolgenden Berufungsinstanz mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr für die erste Instanz nach Nr. 3100 RVG-VV nicht, weil die Vertretung in der ersten Instanz und die Vertretung im Berufungsverfahren nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. Nr. 1008 RVG-VV sind.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 303 O 478/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 03.01.2024, Az. 303 O 478/12, wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger vertrat in der ersten Instanz sowie im Berufungsverfahren den Kläger R. S. und, nachdem dieser während des Berufungsverfahrens verstarb, dessen drei Erben als Kläger.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.11.2023 haben die Kläger auch für die erste Instanz eine gemäß VV RVG Nr. 1008 um 0,9 erhöhte Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3100 beantragt, weil eine Gebührenerhöhung auch beim sukzessiven Vertreten einer Auftraggebermehrheit erfolgen müsse.
Mit ihrer Beschwerde beanstanden die Kläger unter Hinweis auf gesteigerte Haftungsrisiken bei mehreren Auftraggebern, dass das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung die Festsetzung einer erhöhten Verfahrensgebühr für die erste Instanz abgelehnt hat. Weiter machen sie geltend, dass sie in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.11.2023 irrtümlich eine 0,75-fache Gebühr zum Abzug gebracht hätten und dass die Differenz noch festzusetzen sei.
Das Landgericht hat die Beschwerde hinsichtlich der neu geltend gemachten 0,75-fachen Gebühr als Nachfestsetzungsantrag ausgelegt und der Beschwerde hinsichtlich der geltend gemachten Gebührenerhöhung nach VV RVG Nr. 1008 nicht abgeholfen.
II. 1. Soweit die angefochtene Entscheidung nicht nachteilig von der beantragten Kostenfestsetzung abweicht, sondern die Kläger erst nachträglich die Festsetzung höherer Gebühren beantragen, hat das Landgericht das Begehr der Kläger zutreffend als Nachfestsetzungsantrag ausgelegt, über welchen nicht im Rahmen der vorliegenden Beschwerde zu entscheiden ist.
2. Im Übrigen hat die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde der Kläger in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht beim Kostenausgleich nach §§ 103, 104, 106 ZPO die erstinstanzliche Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3100 nicht nach VV RVG Nr. 1008 erhöht festgesetzt. Denn durch die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in der ersten Instanz ist keine entsprechend erhöhte Gebühr entstanden.
VV RVG Nr. 1008 setzt voraus, dass in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber sind. In der Angelegenheit "streitiges Verfahren im ersten Rechtszug" i.S.v. VV RVG Nr. 3100 ff. waren aber nicht mehrere Personen Auftraggeber, auch nicht sukzessive, sondern nur der damalige Kläger Rolf Schomaker.
Im zivilrechtlichen Mandatsverhältnis sind das streitige Gerichtsverfahren erster und zweiter Instanz unterschiedliche Angelegenheiten im Sinne des RVG. Die Gebührenerhöhung tritt aber nur ein, wenn und soweit in der jeweiligen Angelegenheit weitere Auftraggeber vertreten werden (BeckOK RVG/Sefrin, 63. Ed. 1.3.2024, RVG VV 1008 Rn. 6). Das war hier nicht der Fall.
Auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf ein etwaiges erhöhtes Haftungsrisiko gebietet keine über den Wortlaut hinausgehende, analoge Anwendung von VV RVG Nr. 1008. Dies folgt schon daraus, dass bei Kostenvorschriften stets eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten ist, weil das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten ist. Nur dies führt in den formalisierten, auf vereinfachte Prüfung zugeschnittenen Masseverfahren zu einer praktikablen Handhabung und verlässlichen Ergebnissen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. April 2021 - VII ZB 21/20 -, Rn. 12 f., juris; Senat, Beschluss vom 16. Februar 2024 - 4 W 17/24 -, juris; Senat, Beschluss vom 4. November 2022 - 4 W 96/22 -, juris; Senat, Beschluss vom 20. Februar 2024 - 4 W 21/24 -, Rn. 9, juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 16239444 |
NWB 2024, 1824 |
FA 2024, 157 |
JurBüro 2024, 241 |
NJW-Spezial 2024, 379 |