Leitsatz (amtlich)
Die Unkenntnis einer klaren gesetzlichen Regelung begründet ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts i.S.d. §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO.
Verfahrensgang
AG Waren (Müritz) (Urteil vom 23.08.2006; Aktenzeichen 33 C 59/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG Waren (Müritz) vom 23.8.2006 (Az.: 33 C 59/06) wird unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufung nicht innerhalb der Monatsfrist gem. § 517 ZPO eingelegt wurde und der auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerichtete Antrag des Klägers unbegründet ist.
1. Der Kläger hat die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO (Fristablauf 28.9.2006) eingelegt. Zwar ist am 27.9.2006 beim OLG Rostock eine Berufungsschrift eingegangen. Das für die Entscheidung zuständige Gericht ist jedoch gem. §§ 4, 11 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (BinSchGerG) i.V.m. dem Abkommen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Zuständigkeit des Hanseatischen OLG in Binnenschifffahrtssachen vom 1.6./12.8.1993 das Schifffahrtsobergericht Hamburg. Hier ist die Berufung erst nach Fristablauf am 2.4.2007 eingegangen.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung einzuhalten.
Die Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Zuständigkeitsregelung ist entgegen den Ausführungen zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs, ergänzt durch Schriftsatz vom 2.8.2007, nicht unverschuldet. Sein Verschulden, das sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, besteht darin, dass er trotz klarer gesetzlicher Regelung die Berufung nicht bei dem zuständigen Hanseatischem OLG Hamburg als Schifffahrtsobergericht, sondern bei dem unzuständigen OLG Rostock eingelegt hat (vgl. BGH, VersR 1979, 367 (368)). Dieses ist umso weniger als unverschuldet anzusehen, als er bereits die Klage bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat und in diesem Zusammenhang auf das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (BinSchGerG) hingewiesen worden ist. Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Frage der Zuständigkeit für die Berufung mit der gebotenen Sorgfalt geprüft, hätte ihm nicht entgehen können, dass die Landesregierungen gem. § 4 BinSchGerG die Möglichkeit haben, Verhandlungen und Entscheidungen von Binnenschifffahrtssachen ganz oder teilweise den Gerichten eines anderen Landes zuzuweisen. Es hätte ihm sodann oblegen, sich -beispielsweise durch eine Nachfrage bei dem erstinstanzlichen Gericht- danach zu erkundigen, ob und ggf. welchem OLG eines anderen Landes die Berufungen gegen die Entscheidungen des AG Waren als Schifffahrtsgericht zugewiesen worden sind. Die Tatsache, dass § 11 BinSchGerG -Regelung der Zuständigkeit der OLG für Berufungen und Beschwerden gegen die Entscheidungen des Schifffahrtsgerichte- nicht auf § 4 BinSchGerG verweist, entlastet den Prozessbevollmächtigten des Klägers ersichtlich nicht. Von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er auch ohne Querverweise innerhalb eines Gesetzes die maßgeblichen Normen findet. Der Kläger macht ferner ohne Erfolg geltend, dass auch § 7 KonzVO M-V nicht auf das Abkommen der Freien und Hansestadt Hamburg und des Landes Mecklenburg-Vorpommern über die Zuständigkeit des Hanseatischen OLG in Binnenschifffahrtssachen vom 1.6./12.8.1993 Bezug nehme. Ein derartiger Hinweis ist dort bereits deshalb nicht zu erwarten, weil dort ausschließlich die Zuständigkeit für Binnenschifffahrtssachen, nicht aber für Berufungen gegen die Entscheidungen der Schifffahrtsgerichte geregelt ist. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das OLG Rostock seine Unzuständigkeit auch erst nach mehreren Monaten erkannt hat, mag das Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers zwar nicht besonders schwer wiegen. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da jedes Verschulden, unabhängig von seiner Schwere, die Wiedereinsetzung ausschließt.
Wiedereinsetzung ist dem Kläger auch nicht deshalb zu bewilligen, weil das OLG Rostock erst sehr spät auf die zutreffenden Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit für die Berufung hingewiesen hat. Die Berufungsfrist lief am 28.9.2006 ab. Die Berufung zum OLG Rostock ist dort per Fax am 27.9.2006 eingegangen. Ohne Akten konnte das OLG Rostock seine Zuständigkeit nicht prüfen. Der Berufungsschrift ließ sich nicht entnehmen, dass es sich um eine Binnenschifffahrtssache handelt. Nach dem Eingang der Akten am 19.10.2006 war die Berufungsfrist jedoch bereits abgelaufen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen