Leitsatz (amtlich)
1. Der Grundsatz der reformatio in peius gilt bei der Überprüfung des Kostenansatzes im Rahmen des § 4 JVEG nicht.
2. Für eine Versagung oder Beschränkung der Sachverständigenvergütung nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG genügen nicht bloße inhaltliche Mängel, sondern ein Gutachten muss aufgrund inhaltlicher, objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar sein und unter keinem Gesichtspunkt als Entscheidungsgrundlage dienen können. Im selbständigen Beweisverfahren bedarf es insoweit einer Prognoseentscheidung hinsichtlich der Verwertbarkeit im Hauptsacheverfahren.
3. Hinsichtlich jener Beweisthemen, zu denen ohne sachlichen Grund nur Teilleistungen erbracht wurden, welche die Beweisfrage letztlich nicht beantworten, ist eine Vergütung in der Regel insgesamt zu versagen.
4. Ein Verschulden muss im Rahmen des § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG nicht nachgewiesen werden.
5. Die nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG erforderliche Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Mängelbeseitigung nicht mehr erfolgen kann, weil das der Gutachtenerstattung zugrunde liegende Verfahren aufgrund einer Erklärung der Parteien bereits beendet ist.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 307 OH 2/14) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 26.01.2024, Az. 307 OH 2/14, unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wie folgt abgeändert:
Die Vergütung des Sachverständigen ... wird auf 9.700 EUR zuzüglich der Erstattung der Fremdrechnungen in Höhe von 2.679,57 EUR, also auf insgesamt 12.379,57 EUR festgesetzt.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde des Sachverständigen ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Während zweifelhaft erscheint, ob das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung auch seine eigene Vergütungsfestsetzung durch Beschluss vom 09.09.2016 von Amts wegen zum Nachteil des Beschwerdeführers ändern durfte, ohne dass von einem der Berechtigten Beschwerde gegen den Beschluss vom 09.09.2016 eingelegt worden wäre, berechtigt und verpflichtet die Beschwerde nunmehr das Rechtsmittelgericht zur Überprüfung des Gesamtansatzes ohne Geltung des Grundsatzes der reformatio in peius (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. August 2010 - L 2 SF 133/09 B -, Rn. 24, juris; vgl. zum Meinungsstand: Toussaint/Weber, Kostenrecht, 54. Aufl., JVEG § 4 Rn. 48).
2. Der Sachverständige erhält eine gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG gekürzte Vergütung nach § 8 Abs. 1 JVEG von 9.700 EUR zzgl. der zu erstattenden Fremdrechnungen.
a) Die zugesprochene Vergütung orientiert sich an der beantragten Vergütung unter Berücksichtigung der insgesamt zutreffenden betragsmäßigen Kürzungen im erstinstanzlichen Verwaltungsweg bzw. im Rahmen der gerichtlichen Festsetzung vom 09.09.2016 (vgl. Bl. 134, 204 und 341 d.A.), wobei der Senat hinsichtlich des Ergänzungsgutachtens vom 23.01.2019 unter Berücksichtigung dessen Inhalts und Umfangs als erforderliche Arbeitszeit auch auf der Basis der Erläuterungen des Sachverständigen vom 15.02.2019 lediglich 27 Arbeitsstunden des Sachverständigen (16 Stunden Klärung/Studium, 3 Stunden zu vergütende Korrespondenz mit den Verfahrensbeteiligten, 8 Stunden Erstellung des Gutachtens) nachzuvollziehen und anzuerkennen vermag. Hieraus leitet der Senat eine nachvollziehbare Vergütungshöhe von 11.916,54 EUR zzgl. Fremdkosten (...) von 2.679,57 EUR (zum Vergütungsantrag vom "15.08.2015"), weiteren 608,80 EUR (gemäß Festsetzung vom 09.09.2016) und weiteren 3.563,20 EUR (zum Vergütungsantrag vom 23.01.2019), also von insgesamt 16.088,54 EUR zzgl. Fremdkosten ab.
b) Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass keine Anhaltspunkte für einen Wegfall der Vergütung wegen fehlender Sachkunde nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG i.V.m. § 407a Abs. 1 ZPO bestehen.
c) Nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG verliert der Sachverständige seinen Vergütungsanspruch aber auch dann, wenn er eine mangelhafte Leistung erbracht hat, die nicht bestimmungsgemäß verwertbar ist, soweit der Mangel nicht behoben werden kann. Dabei haben aber Qualität und Überzeugungskraft der Sachverständigenleistung auf die Höhe der zu gewährenden Vergütung regelmäßig keinen Einfluss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. November 2018 - I-10 W 161/18, BeckRS 2018, 31588 Rn. 3). Voraussetzung für eine Versagung oder Beschränkung der Vergütung sind demnach nicht bloß inhaltliche Mängel, sondern dass ein Gutachten aufgrund inhaltlicher, objektiv feststellbarer Mängel unverwertbar ist und mithin unter keinem Gesichtspunkt als Entscheidungsgrundlage dienen kann (OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. September 2017 - 12 W 130/17 - BeckRS 2017, 142299; OLG Naumburg, Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 12 W 72/19 - BeckRS 2019, 44260; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2022 - 11 W 17/22 - BeckRS 2022, 22065; BeckOK KostR/Bleutge, 45. Ed. 1.4.2024, JVEG § 8a Rn. 10). Für ein im selbständigen ...