Entscheidungsstichwort (Thema)
ad usum proprium
Leitsatz (amtlich)
1. Bei kostenlos an Apotheker zum Zwecke des Eigenverbrauchs (Aufkleber "ad usum proprium") abgegebenen Fertigarzneimitteln handelt es sich um "Muster" i.S.d. § 47 Abs. 3 AMG und nicht um eine Arzneimittelprobe i.S.v. § 11 Nr. 14 HWG.
2. Die Abgabe von Arzneimittelmustern durch pharmazeutische Unternehmer an Apotheker unterfällt nicht der allgemeinen Vorschrift des § 47 Abs. 1 AMG, sondern verstößt gegen § 47 Abs. 3 AMG, da Apotheker in Übereinstimmung mit Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG nicht zu dem in der Vorschrift genannten Personenkreis gehören, an welchen unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittelmuster abgegeben werden dürfen.
3. § 47 Abs. 3 AMG ist für den Bereich der Abgabe von Arzneimittelmustern durch pharmazeutische Unternehmer lex specialis und verdrängt die Vorschrift des § 7 Abs. 1 HWG.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; AMG § 47 Abs. 1, 3-4; HWG § 7 Abs. 1; RL 2001/83/EG Art. 96 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen 327 O 127/12) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg vom 20.12.2012, Aktenzeichen 327 O127/12, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der kostenlosen Abgabe von Arzneimitteln an Apotheker auf Unterlassung in Anspruch.
Bei den Parteien handelt es sich um pharmazeutische Unternehmen, welche Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Arzneimitteln sind.
Die Beklagte gab unaufgefordert und kostenlos Verkaufspackungen der Größe N1 der apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel "AM 1", "AM 2" sowie "AM 3" an Apotheker ab. Die Verkaufspackungen waren jeweils mit einem Aufkleber "ad usum proprium" versehen. Das Arzneimittel "AM 1" ist zugelassen für die Behandlung von Schmerzen und Entzündungen und hat in der Packungsgröße N1 gemäß Lauer-Taxe einen Apothekeneinkaufspreis von EUR 3,10 und einen Apothekenverkaufspreis von EUR 5,97. Das Präparat "AM 2" ist zugelassen zur Behandlung von Fußpilz und hat in der Größe N1 einen Apothekeneinkaufspreis von EUR 8,43 sowie einen Apothekenverkaufspreis von EUR 14,98. Bei dem Arzneimittel "AM 3" handelt es sich um ein Präparat zur Kurzzeitbehandlung von Heuschnupfen, welches in der Größe N1 einen Apothekeneinkaufspreis von EUR 3,10 und einen Apothekenverkaufspreis von EUR 9,10 aufweist.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die kostenlose und unaufgeforderte Abgabe dieser Arzneimittel an Apotheker verstoße sowohl gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 47 Abs. 3 und 4 AMG sowie gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG. Apotheker gehörten nicht zu dem in § 47 Abs. 3 AMG genannten Personenkreis und die Abgabe sei nicht i.S.v. § 47 Abs. 4 "auf schriftliche Aufforderung" erfolgt. Zudem fehle die vorgeschriebene Kennzeichnung ("Unverkäufliches Muster"). Es liege auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor, weil es sich bei den abgegebenen Arzneimitteln nicht um Gegenstände von geringem Wert i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG handele und sie auch nicht zur Verwendung in der pharmazeutischen Praxis i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG bestimmt seien.
Die Klägerin hat beantragt, es der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verbieten, in geschäftlichen Handlungen gegenüber Apothekern für die Arzneimittel
a) "AM 1" und/oder
b) "AM 2" und/oder
c) "AM 3"
zu werben und/oder werben zu lassen mit der kostenlosen Abgabe dieser Arzneimittel in der Packungsgröße N1 an Apotheker zum Zwecke des Eigengebrauchs ("ad usum proprium"), insbesondere wenn dies wie nachstehend eingeblendet geschieht
Es folgen Einblendungen der Arzneimittelverpackungen, jeweils versehen mit dem Aufkleber "ad usum Proprium" und im Antrag jeweils mit "und/oder" verbunden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass durch die Abgabe der Arzneimittel an Apotheker weder ein Verstoß gegen § 47 Abs. 3 AMG noch ein solcher gegen § 7 Abs. 1 HWG vorliege. Zwar sei es richtig, dass Apotheker nicht zu dem in § 47 Abs. 3 AMG genannten Personenkreis zählten. Daraus folge jedoch nicht automatisch, dass man an Apotheker deshalb überhaupt keine Arzneimittel abgeben dürfe. Es bestehe bei ihnen nämlich das gleiche vom Gesetzgeber grundsätzlich als legitim angesehene Interesse, Entscheidern im Bereich der Abgabe von Arzneimitteln die Möglichkeit einer sachgerechten Erprobung konkreter Arzneimittel zu verschaffen. Die Arzneimittelmuster-Abgabe sei auch unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit geregelt worden, da nicht auszuschließen sei, dass die nicht in § 47 Abs. 3 AMG genannten Personen Arzneimittel-Muster nicht ordnungsgemäß lagern, kontrollieren, abgeben oder sich ihrer entledigen. Dies alles treffe auf Apotheker nicht zu, da diese insoweit strenge apothekenrechtliche Vorgaben einhalten müssten. "Ad-usum-proprium-Arzneimittel" unt...