Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 3a HWG ist auch auf von dem Inhalt der Zulassung abweichende Dosierungen anwendbar.

2. Die Formulierungen "Dosierungsrichtlinie", "soweit nicht anders verordnet" und "üblicherweise" stellen in Fachinformationen übliche beschreibende Hinweise dar, welche die Therapiefreiheit der Ärzte berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn mit der Möglichkeit einer von den Vorgaben der Fachinformation erheblich abweichenden Dosierung eines Arzneimittels geworben wird, die nicht in Einklang mit der Fachanweisung zu bringen ist, stellt dies einen Verstoß gegen § 3a HWG dar.

3. Genehmigt die Zulassungsbehörde auf der Grundlage von mit dem Änderungsantrag des Arzneimittelherstellers eingereichten neueren Studien die Aufnahme eines konkreten Zusatzes in die so geänderte Fachinformation, dann führt das nicht dazu, dass zusätzlich zu der ausdrücklich beantragten Änderung der Fachinformation sämtliche Erkenntnisse, die sich den dem Antrag beigefügten Studien möglicherweise entnehmen lassen, gewissermaßen "mitgenehmigt" würden.

 

Normenkette

HWG § 3a; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 406 HKO 136/15)

 

Tenor

1. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

2. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 400.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kostentragungslast im Hinblick auf einen Rechtsstreit, in dem die Klägerin die Beklagte wegen werblicher Angaben für das Arzneimittel "A. N." auf Unterlassung in Anspruch genommen hat.

Die Parteien vertreiben jeweils u. a. Antibiotika zur Behandlung von insbesondere durch Krankenhauskeime (Clostridium difficile) verursachte Durchfallerkrankungen. Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel "I.", die Beklagte das Arzneimittel "A. N.".

In der Fachinformation für A. heißt es unter Punkt 4.2 ("Dosierung, Art und Dauer der Anwendung") u. a.:

"Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren

nehmen üblicherweise 500 mg bis 2 g A. täglich in 3 oder 4 Teilgaben ein.

(...)

Zur Behandlung der Enterokolitis sollte A. 7 - 10 Tage lang eingenommen werden."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K2 zur Akte gereichte Fachinformation Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 29.08.2015 wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte folgender Zusatz in der Fachinformation genehmigt:

"Im Rahmen einer Rezidivbehandlung einer C. difficile-Infektion kann die Therapie mit A. um mehrere Wochen verlängert werden."

Die Beklagte bewarb ihr Arzneimittel auf ihrer Homepage mit einer eigenen Seite (Anlage 1) und einem verlinkten Artikel (Anlage 2). Darin werden im Fall einer Rezidivbehandlung eine Therapie mit ausschleichender und intermittierender Dosierung empfohlen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die genannten Anlagen.

Die Klägerin hat in den Werbeaussagen der Anlagen 1 und 2 einen Verstoß gegen § 3a HWG in Gestalt einer vom Zulassungsstatus abweichenden Werbung gesehen, der zugleich eine Irreführung über den Zulassungsstatus im Sinne des § 3 HWG beinhalte.

Sie hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "A. N." mit einer mehrwöchigen Intervalltherapie in ausschleichender Dosierung zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies auf der Homepage der R. Pharma GmbH gemäß dem als Anlage 1 beigefügten Auszug und/oder dem in der Anlage 2 beigefügten Sonderdruck "Sichere Therapie mit A.-Kapseln" geschehen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Werbung sei jedenfalls von der geänderten Fachinformation gedeckt.

Mit Urteil vom 12.4.2016 (406 HKO 136/15) hat das Landgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem oben dargestellten Zusatz die Werbung mit einer ausschleichenden und intermittierenden Therapie über mehrere Wochen nicht mehr von der Fachinformation abweiche. Diese enthalte keine abschließenden Angaben zur Dosierung des Arzneimittels, sondern lediglich Empfehlungen. Diese Empfehlungen seien zudem nur auf eine Obergrenze von 2 g bezogen, eine Untergrenze sei nicht angegeben. Hieraus sei zu schließen, dass niedrigere Dosierungen als die empfohlenen Dosierungsrichtlinien jedenfalls in Bezug auf die verlängerte Therapie keine Abweichung von den nach der Fachinformation zugelassenen Dosierungen darstellten.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 06.06.2016 eingegangenen Berufung gewendet.

Sie hat unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrags beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach Maßgabe des erstinstanzlich gestellten Antrags zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der § 3a HWG dem Wortlaut nach schon keine Anwendung auf die Dosierung von Arzneimitteln finde. Darüber hinaus sei die beworb...

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