Leitsatz (amtlich)

§ 3a HWG erfasst auch nach Einfügung von § 3a Satz 2 HWG eine Werbung für eine mit der Zulassung nicht im Einklang stehende Dosierung eines Arzneimittels.

Ohne entgegenstehende Anhaltspunkte geht der Fachverkehr davon aus, dass eine werblich hervorgehobene Dosierungsempfehlung mit der Zulassung im Einklang steht; ist das nicht der Fall, ist die Werbung irreführend.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1; HWG §§ 3, 3a

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 06.05.2014; Aktenzeichen 406 HKO 47/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin in Abänderung des Urteils des LG Hamburg vom 6.5.2014 - 406 HKO 47/14, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "V." mit einer mehrwöchigen Intervalltherapie in ausschleichender Dosierung zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies auf der Homepage der Antragsgegnerin gemäß dem als Anlage 1 beigefügten Auszug und/oder dem in der Anlage 2 dieses Urteils beigefügten Sonderdruck "Sichere Therapie mit V.-Kapseln" geschehen ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung einer Werbeaussage für eine Therapie mit dem Arzneimittel "V." zur Behandlung von Durchfallerkrankungen in Anspruch.

Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel D.. Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel V.. Mit beiden Antibiotika werden durch Krankenhauskeime verursachte Durchfallerkrankungen behandelt.

Die Antragsgegnerin bewarb ihr Arzneimittel V. auf ihrer Homepage mit einer eigenen Seite (Anlage 1) und einem verlinkten Artikel (Anlage 2). Darin werden im Falle einer Rezidivproblematik und -therapie eine intermittierende und ausschleichende V.-Therapie über mehrere Wochen mit abnehmender Dosierung empfohlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Anlagen des Urteils verwiesen.

Nach der Fachinformation für V. nehmen Erwachsene zur Behandlung einer Enterokolitis üblicherweise 500mg bis 2g täglich in 3 bis 4 Teilgaben ein. V. soll 7 - 10 Tage lang eingenommen werden (vgl. Anlage ASt 2).

Die Antragstellerin sieht in den werbenden Aussagen eine gem. § 3a HWG unzulässige Werbung mit einer nicht dem Zulassungsstatus entsprechenden Dosierung und einer Ausschleichungstherapie. Es handele sich um eine Werbung, die über den Zulassungsstatus des Arzneimittels hinausgehe. Diese falle nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Urt. v. 16.1.2003 - 3 U 130/02 - Bruchrillen, GRUR-RR 2003, 356) unter § 3a HWG. Die Dosierung, mit der geworben werde, sei in der Fachinformation nicht vorgesehen, habe der Zulassung nicht zugrunde gelegen und sei dementsprechend auch nicht überprüft. In der Anlage 1 werde ab der dritten Woche eine Dosis von 125mg bis 250mg vorgeschlagen. Dies entspreche der Hälfte dessen, was in der Zulassung als unterste Dosis angegeben sei. In der 4. - 7. Woche solle diese niedrige Dosis auch nur noch alle 2 bzw. 3 Tage eingenommen werden. Darüber hinaus liege auch eine konkrete Irreführung gem. § 3 HWG vor. Der Fachverkehr erwarte, dass die von der Antragsgegnerin beworbene Ausschleichungstherapie Gegenstand der Zulassung sei. Das gelte jedenfalls, wenn auf den abweichenden Zulassungsstatus nicht hingewiesen werde.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "V." mit einer mehrwöchigen Intervalltherapie in ausschleichender Dosierung zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies auf der Homepage der R. gem. dem als Anlage 1 beigefügten Auszug und/oder dem in der Anlage 2 diesem Beschluss beigefügten Sonderdruck "Sichere Therapie mit V.-Kapseln" geschehen ist.

Das LG, Zivilkammer 15, hat im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 19.2.2014 die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Dagegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt und eine Verweisung an die Kammer für Handelssachen beantragt.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass eine Werbung mit einer abweichenden Dosierung nicht unter die Vorschrift des § 3a HWG falle. Eine solche Auslegung überschreite die Grenzen der Auslegung und sei nicht mehr vom Wortlaut der Norm gedeckt. Die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des Senats seien vor der Einführung des § 3a S. 2 HWG getroffen worden. Mit der vierzehnten Änderung des Arzneimittelgesetzes im Jahre 2005 habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Norm beschränkt und dieser Auslegung die Grundlage entzogen. Der Wortlaut sei die Grenze der Auslegung. Dies gelte besonders, weil die Vorschrif...

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