Leitsatz (amtlich)

1. Ob das mit einer Abmahnung geltend gemachte und auf eine konkrete Werbung bezogene Unterlassungsbegehren alternativ auf verschiedene Irreführungsgesichtspunkte, die die Abmahnung beanstandet, gestützt ist oder ob Unterlassung kumulativ wegen aller in der Abmahnung erhobenen Beanstandungen begehrt wird, ist durch Auslegung zu ermitteln.

2. Ergibt die Auslegung der Abmahnung, dass der Anspruchsteller die angegriffene Werbung kumulativ unter mehreren von ihm angeführten Irreführungsgesichtspunkten beanstandet, dann ist es Sache des Schuldners, die Wiederholungsgefahr in Bezug auf die angegriffene Werbeaussage unter allen angegriffenen Aspekten durch die Abgabe einer diese Aspekte erfassenden strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, die der Anspruchsteller dem Schuldner nicht vorgeben muss, zu beseitigen.

3. Wird die Unterlassungsverpflichtungserklärung in einem solchen Fall uneingeschränkt auf die konkrete Verletzungsform bezogen abgegeben, dann sind mangels einschränkender Erklärungen alle vom Anspruchsteller beanstandeten Irreführungsgesichtspunkte vom Kernbereich der Verpflichtungserklärung mit der Folge erfasst, dass eine spätere, nur wegen eines Teils der beanstandeten Irreführungsgesichtspunkte veränderte Werbung gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung verstößt und einen Vertragsstrafeanspruch begründen kann.

4. Kann der vom Schuldner abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Kontext der dazu erläuternd abgegebenen Erklärungen des Schuldners entnommen werden, dass sie dem Unterlassungsbegehren des Anspruchstellers nur wegen eines Teils der von diesem beanstandeten Irreführungsgesichtspunkte entspricht, dann beseitigt die Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr wegen der von ihr nicht erfassten Aspekte auch dann nicht, wenn sie auf die konkrete Verletzungsform bezogen ist.

5. Wird ein Arzneimittel unter Bezugnahme auf eine wissenschaftliche Studie damit beworben, dass es einem Wettbewerbspräparat hinsichtlich bestimmter Eigenschaften überlegen sei, dann geht der Fachverkehr mangels hinreichend deutlicher Hinweise auf das Studienergebnis einschränkende Umstände grundsätzlich davon aus, dass diese Überlegenheit durch die referenzierte Studie wissenschaftlich hinreichend gesichert belegt ist. Weisen die Studienautoren in der referenzierten Studie demgegenüber selbst darauf hin, dass die Studie sowohl wegen der Open-Label-Behandlung der Probanden als auch mit Blick auf den fehlenden Placebo-Arm und die kurze Studiendauer Limitationen aufweist, und wird dort zur fehlenden Verblindung der Studie ausdrücklich auf das dadurch entstehende Verzerrungspotential hingewiesen, dann wird der Fachverkehr allein durch den Hinweis: "Gezeigt in einer randomisierten, unverblindeten Crossover-Studie" nicht im Sinne der BGH-Rechtsprechung "Basisinsulin mit Gewichtsvorteil" (GRUR 2013, 649) hinreichend deutlich über die Limitationen der Studie aufgeklärt und er wird über den Grad der Validität der beworbenen Studienergebnisse in die Irre geführt.

 

Normenkette

HWG § 3; UWG §§ 3, 3a, 8

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 129/20)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung, der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

weiter verboten,

geschäftlich handelnd für das Arzneimittel B.* F.* (Wirkstoffe: Mec. und Lan.) in der Bundesrepublik Deutschland zu werben und/oder werben zu lassen

mit der Aussage

"1,4x* Größere Verbesserung hinsichtlich des ko-primären Endpunktes FEV1-Talwert ggü. P.* R.* (180 ml ggü. 128 ml; p≪0,001)1",

wenn dies geschieht wie in Anlage A.

II. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Erlassverfahrens sowie die Kosten der Beschwerde, letzteres nach einem Streitwert von EUR 60.000,00, zu tragen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt mit ihrer sofortigen Beschwerde den Erlass einer einstweiligen Verfügung in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang. Beide Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Arzneimitteln zur bronchodilatorischen Dauertherapie bei Erwachsenen, die zur Linderung von Symptomen bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) angewendet werden. Die Antragstellerin wendet sich gegen die aus der Anlage A ersichtliche Bewerbung des Arzneimittels B.* F.* der Antragsgegnerin innerhalb eines als "Produktfortbildung" bezeichneten Angebots für Fachkreise im Internet. Innerhalb der Werbung finden sich diverse werbliche Angaben, die die Antragstellerin für irreführend erachtet. U.a. auch die im Beschwerdeverfahren noch anhängige und aus dem Beschlusstenor ersichtliche vergleichende Angabe, mit der...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?