Leitsatz (amtlich)
Ein "Segway" gilt als Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB, sodass die absolute Fahrunsicherheit seines Führers unter Anwendung des Beweisgrenzwertes von 1,1 Promille zu bestimmen ist.
Normenkette
StGB § 316
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 24.08.2016) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. August 2016 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Gründe
Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt, die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet und eine einjährige Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis bestimmt. Die vom Angeklagten hiergegen geführte Berufung hatte lediglich zur Tagessatzhöhe Erfolg. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte insgesamt mit seiner Revision, die er auf die näher ausgeführte Sachbeschwerde stützt.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte befuhr in den frühen Morgenstunden des 30. Dezember 2015 mit seinem "Segway" den Gehweg der Straße Weidenbaumsweg, obwohl er - wie er wusste - wegen zuvor konsumierten Alkohols absolut fahruntüchtig war. Er wies zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von "mindestens 1,5 Promille" auf (UA S. 5). Das Landgericht hat das "Segway" als Kraftfahrzeug angesehen und die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit hierfür nach dem Beweisgrenzwert von 1,1 Promille bestimmt.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Schuldspruch hält - aus den Gründen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft - sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:
a) Die Urteilsfeststellungen erweisen sich als geschlossen und lückenlos.
Über die Angabe, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer geführten Fahrzeug um ein "Segway" handelte, hinaus bedurfte es mit Blick auf die insoweit bestehende Allgemeinkundigkeit keiner weiteren Feststellungen.
b) Die Bewertung der Fahrunsicherheit im Rahmen des § 316 StGB hat die Berufungsstrafkammer mit Recht unter Anwendung des für Kraftfahrer höchstrichterlich bestimmten Grenzwertes von 1,1 Promille vorgenommen.
aa) Als fahrunsicher ist hiernach anzusehen, wer sein Fahrzeug nicht mehr hinreichend zu beherrschen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 2008 - 4 StR 639/07, NZV 2008, 528; LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn. 10 m.w.N.).
Wird bei einer alkoholbedingten Fahrunsicherheit der sich auf juristischer Bewertung medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gründende und für alle Führer von Kraftfahrzeugen geltende Beweisgrenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille erreicht (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Juni 1990 - 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 91, 99), steht die Fahruntüchtigkeit unwiderleglich fest. Bleibt die Alkoholintoxikation hingegen hinter diesem Wert zurück, kann der Blutalkoholgehalt nicht in ordnungsgemäßer Weise nachgewiesen werden oder existiert mangels hinreichender verkehrsmedizinischer Erkenntnisse für die konkrete Art des Fahrzeugführens in der jeweiligen Verkehrsart kein absoluter Beweisgrenzwert, so bedarf die Feststellung der Fahrunsicherheit stets zusätzlicher Beweiszeichen (relative Fahrunsicherheit; vgl. hierzu nur Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StGB 316 Rn. 9, 12 ff.; MünchKomm-StVR/Hagemeier, StGB, § 316 Rn. 9; jeweils m.w.N.).
bb) Der für alle Führer von Kraftfahrzeugen geltende Beweisgrenzwert von 1,1 Promille ist auch auf den Führer eines "Segway" anzuwenden. Hierbei handelt es um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB.
(1) Ein "Segway" wird als elektromotorengetriebenes "Ein-Personen-Transportmittel" (UA S. 4) von den maßgeblichen gesetzlichen Begriffsbestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes erfasst (ebenso etwa Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 1 StVG Rn. 8; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., StVG § 1 Rn. 14; MünchKomm-StVR/Huppertz, StVG § 1 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Kraftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 2 StVG durch Maschinenkraft bewegte und nicht an Gleise gebundene Landfahrzeuge (vgl. auch BGH, Urt. v. 24. Juni 1993 - 4 StR 217/93, BGHSt 39, 249, 250). Das "Segway" unterfällt auch nicht den im Zusammenhang mit dem Thema Elektromobilität neu eingeführten Maßgaben des § 1 Abs. 3 StVG (vgl. hierzu BT-Drucks. 17/12856, S. 11). In Kenntnis einer bereits zuvor allgemeinkundigen Teilhabe auch des "Segway" am Straßenverkehr, sah der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit allein Regelungsbedarf bei sogenannten Elektrofahrrädern (vgl. BT-Drucks. a.a.O.).
(2) Dieses Begriffsverständnis wird weiter durch die Maßgaben der Straßenverkehrsordnung gestützt. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Teilnahme elektronischer Mobilitätshilfen am Verkehr vom 16. Juli 2009 (MobHV; BGBl. I S. 2097) gelten etwa zweispurige Kraftfahrzeuge mit zwei parallel angeordneten Rädern und integrierter elektronischer Balance-, Antriebs-Le...