Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentseröffnung durch das Verwahrungsgericht
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Verwahrungsgericht nimmt mit der Eröffnung des Testaments eine eigenständige Aufgabe wahr. Seine Funktionen enden mit der Zusendung des Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift der über die Eröffnung aufgenommenen Niederschrift an das Nachlassgericht. Das Verwahrungsgericht tritt zwar, wenn es ein Testament in amtlicher Verwahrung hat, hinsichtlich der Testamentseröffnung an die Stelle des Nachlaßgerichts und hat die Eröffnung in gleicher Weise wie dieses vorzunehmen. Es leitet aber seine Funktionen nicht aus der Tätigkeit des Nachlaßgerichts ab, ebensowenig, wie das Nachlaßgericht die Tätigkeit des Verwahrungsgerichts fortsetzt.
2. Die Selbständigkeit der Tätigkeit des Verwahrungsgerichts hat zur Folge, daß Verfügungen des Gerichts durch die Beteiligten in einer Nachlaßsache zwar gemäß § 20 FGG angefochten werden können. Eine Aufhebung der Verfügung stünde aber entweder allein dem Verwahrungsgericht gemäß § 18 FGG zu, oder aber das Beschwerdegericht könnte die Verfügung des Verwahrungsgerichts ändern.
Normenkette
BGB §§ 2260-2262; FGG §§ 18, 20
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 17.12.1984; Aktenzeichen 1 T 210/84) |
AG Hamburg |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Amtsgerichts Hamburg gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg vom 17. Dezember 1984 – 1 T 210/84 – wird zurückgewiesen.
Gründe
Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde des Amtsgerichts Hamburg gegen die landgerichtliche Entscheidung, mit der der Beschluß des Amtsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 1984 aufgehoben wird, ist gemäß §§ 27, 20, 29 FGG zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Der angegriffene Beschluß des Landgerichts Hamburg beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, worauf die weitere Beschwerde allein gestützt werden kann, § 27 FGG. Das Landgericht hat mit seiner Entscheidung das Verfahrensrecht nicht verletzt. Es hat das anzuwendende Recht auch im wesentlichen nicht falsch interpretiert.
Das Landgericht Hamburg hat die Beschwerde des Amtsgerichts Starnberg gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg mit Recht für zulässig gehalten.
Das Amtsgericht Starnberg ist als Verwahrungsgericht gemäß §§ 20 Abs. 1, 19 FGG und § 11 Abs. 2 RpflG beschwerdeberechtigt.
Eine ausdrückliche Beschwerdeberechtigung des Verwahrungsgerichts ist im Gesetz nicht vorgesehen. Das Beschwerderecht entfällt aber nicht deshalb, weil das Gesetz die Beschwerdeberechtigung nicht ausdrücklich verliehen hat (KG, JFG 12, 342; KG, JFG 13, 233; KG, JFG 14, 164). Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich aus § 20 FGG, wonach jeder, dessen Recht durch eine Verfügung beeinträchtigt wird, beschwerdeberechtigt ist. Dieses gilt auch für Behörden und Gerichte (Zimmermann, Rpfl 1958, 209).
Allerdings sind Gerichte nicht allgemein befugt, zur Wahrnehmung der ihnen anvertrauten öffentlichen Interessen Rechtsmittel gegen die Entscheidungen anderer Gerichte einzulegen (Jansen, FGG, 2. Aufl. § 20 Rdnr. 77; OLG München, JFG 16, 169; Schlegelberger, FGG, 7. Aufl., Band I, § 20 Rdnr. 32 und 1). Insbesondere ist ein Gericht nicht befugt, gegen die Entscheidung des ihm vorgeordneten Gerichts, durch welche seine eigene Verfügung aufgehoben worden ist, weitere Beschwerde einzulegen (Schlegelberger, a.a.O.; Jansen, a.a.O., § 20 Rdnr. 81).
Der Streit der verfahrensbeteiligten Amtsgerichte darüber, ob das Nachlaßgericht berechtigt war, in die Befugnisse des Verwahrungsgerichts einzugreifen, ist ein Streit über die sachliche Zuständigkeit, für den unter den Voraussetzungen des § 20 FGG der Beschwerderechtsweg eröffnet ist (vgl. KG, Rpfl 1972, 405; KG, JFG 14, 168; KG, KGJ 37 A 127; Soergel-Harder, BGB, 11. Aufl., § 2261 Anm. 6). In dem Streit um die sachliche Zuständigkeit wird eine Beschwerdeberechtigung eines Gerichts anzunehmen sein, soweit das anfechtende Gericht zur Vertretung der Interessen der Beteiligten oder der öffentlichen Interessen berufen ist (Josef, ZBlFG 11, 615, 616) und es an der Erfüllung seiner amtlichen Aufgaben durch ein anderes Gericht gehindert wird (KG, FamRZ 1964, 325; KG, KGJ 37 A 127; KG, KGJ 34 A 134; OLG München, JFG 16, 169; Schlegelberger, a.a.O., § 20 Anm. 30). Beide Voraussetzungen sind hier gegeben: Das Verwahrungsgericht erfüllt mit der Testamentseröffnung gemäß § 2261 BGB eine Öffentliche Aufgabe.
Das Gesetz trägt mit der alsbaldigen Eröffnung des Testaments durch das Verwahrungsgericht Vorsorge gegen die Gefahr des Verlustes einer nicht eröffneten letztwilligen Verfügung durch die Versendung (MünchKomm – Burkart 2. Auflage 1982, § 2261 Rdnr. 1; OLG Hamm, Rpfl 1972, 23). Das Verwahrungsgericht erfüllt damit eine rechtsfürsorgerische Tätigkeit, die auch deshalb nicht folgenlos ist, weil mit der Testamentseröffnung Rechtswirkungen, wie z. B. der Beginn der Ausschlagungsfrist (§ 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB), verbunden sind. Durch den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 29. Oktober 1984 griff dieses in die Kompetenz des Verwahrungsgerich...