Leitsatz (amtlich)

Bei seiner Zeitplanung für einen anberaumten Gerichtstermin muss der zu einer bestimmten Uhrzeit geladene Rechtsanwalt nicht nur damit rechnen, einige Zeit auf den Beginn der Verhandlung warten zu müssen, sondern auch einkalkulieren, dass auch der Termin selbst eine gewisse, im Voraus nicht sicher absehbare Zeit in Anspruch nehmen wird. Ist seine Zeitplanung zu knapp und verlässt er deshalb den Terminsort vor Aufruf der Sache, ist sein Ausbleiben in dem Termin nicht unverschuldet.

Wenn sich der Aufruf der Sache wegen der Verhandlungsdauer vorangehender Termine verzögert, der Rechtsanwalt deswegen den Terminsort verlässt und einen Terminverlegungsantrag stellt, weil er nicht länger warten könne, müssen die Gründe dafür so genau vorgetragen werden, dass dem Gericht eine Prüfung ihrer Erheblichkeit ohne weitere Rückfrage möglich ist.

Für den Rechtsanwalt, dem nach § 128 a ZPO gestattet ist, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen, gelten insoweit keine anderen Maßstäbe.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 324 O 51/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 29. April 2022 aufgehoben.

Dem Landgericht wird aufgegeben, neuen Termin anzuberaumen und zu diesem Termin den Antragsteller nicht zu laden.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde dagegen, dass das Landgericht ihrem in Abwesenheit eines Vertreters des Antragstellers in mündlicher Verhandlung gestellten Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils nicht entsprochen, sondern einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hat.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung erwirkt. Gegen diese hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Auf diesen hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29. April 2022, 12:30 Uhr, anberaumt. Es hat mit Beschluss vom 25. März 2022 den Parteien von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen, indem die Verhandlung an diesen Ort und den Sitzungssaal im Ziviljustizgebäude übertragen werde. Zur anberaumten Terminsstunde kam die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in den Wartebereich vor dem Sitzungssaal im Ziviljustizgebäude, der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hielt sich in seinem Büro in Berlin für die Übertragung der mündlichen Verhandlung bereit. Weil die mündliche Verhandlung in zeitlich vor dieser Sache terminierten Sachen länger als bei der Terminierung vorausgesehen dauerte, informierte eine Richterin die Prozessbevollmächtigten um 12:30 Uhr, dass sich der Aufruf der Sache um bis zu eine Stunde, vielleicht auch länger, verschieben könne. Dies sagte sie der auf dem Gang wartenden Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin persönlich; dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers machte sie die Mitteilung telefonisch. Um 12:55 Uhr teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht und der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin per E-Mail, dem Gericht auch mittels per beA übermittelten Schriftsatzes, der um 13:11 Uhr auf dem Server des Landgerichts eingegangen ist, mit, dass aufgrund der von ihm erhaltenen Mitteilung "hier von einer Terminsaufhebung auszugehen" sei; da er "zudem ab 14 Uhr einen unverschiebbaren Termin" habe, könne "der Termin zu einer späteren Terminsstunde heute nicht mehr wahrgenommen werden". Er rege daher an, den Termin "ggf. auf nächste Woche Freitag zu legen", weil er an diesem Tage vor der Kammer mehrere andere Termine wahrzunehmen habe und vor Ort sein werde. Das Landgericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung um 13:25 Uhr aufgerufen. Bei Aufruf der Sache ist ausweislich des Protokolls die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin erschienen; der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ist nicht erschienen und war um kurz vor halb zwei Uhr auch nicht in die Video-Verhandlung eingewählt. Die E-Mail des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers hat der Kammer in dem Termin vorgelegen und ist verlesen worden. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat, nachdem auch bis 14:00 Uhr für die Antragstellerseite niemand erschienen ist, beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben, den ihr zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen und hierüber durch Erlass eines Versäumnisurteils zu entscheiden. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gemäß Empfangsbekenntnis vom 29. März 2022 zu dem Termin geladen worden sei, und sodann beschlossen und verkündet, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung verkündet werde. Am Schluss der Sitzung hat das Landgericht einen Beschluss verkündet, wonach der Termin zur mündlichen Verhandlung gemäß § 337 ZPO vertagt werde auf Freitag, den 13. Mai 2022, um 10:00 Uhr.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde...

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