Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Kosten des Verkehrsanwalts am dritten Ort; notwendige Reisekosten des Prozessbevollmächtigten in erster Instanz

 

Leitsatz (amtlich)

a) Kosten des Verkehrsanwalts am dritten Ort sind weiterhin grundsätzlich nicht erstattungsfähig.

b) Notwendiger Reisekosten des Prozessbevollmächtigten sind insoweit erstattungsfähig, als die hier durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten ersparten Reisekosten nicht übersteigen.

 

Normenkette

ZPO §§ 28, 53, 91

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 04.02.2003; Aktenzeichen 332 O 369/01)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Parteien wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 32, vom 4.2.2003 abgeändert.

Die Rechtspflegerin des LG wird angewiesen, entspr. den folgenden Ausführungen erneut in der Sache und zugleich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

 

Gründe

Die sofortigen Beschwerden der Parteien sind zulässig und haben auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann eine Erstattung der Korrespondenzanwaltskosten für beide Instanzen nicht verlangen, jedoch sind ihr die geltend gemachten notwendigen Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten zu erstatten.

Wie die Beschwerde der Beklagten zutreffend ausführt, betrifft der hier zu beurteilende Sachverhalt die Konstellation, dass der Korrespondenzanwalt am sog. dritten Ort tätig ist, also weder am Sitz des Prozessgerichts noch am Wohnort der Mandantin. Die durch Einschaltung eines Korrespondenzanwalts am dritten Ort entstehenden Kosten sind nach st. Rspr. des OLG Hamburg grundsätzlich nicht erstattungsfähig, da die Partei durch die Auswahl eines Anwalts am dritten Ort zeigt, dass sie des unmittelbaren Kontakts zur mündlichen Erörterung mit ihrem Rechtsanwalt nicht bedarf.

Aus der neueren Rspr. des BGH ergibt sich nichts anderes. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 16.10.2002 (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 = NJW 2003, 898 f), welcher an sich den (hier nicht zu entscheidenden) Fall der Kosten eines Unterbevollmächtigten betraf, zunächst klargestellt, dass es für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines beim Prozessgericht nicht zugelassenen Anwalts allein auf die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO ankommt, womit gesagt ist, dass die Notwendigkeit der Kostenentstehung das allein entscheidende Erstattungskriterium ist. Der BGH leitet die Notwendigkeit im konkreten Fall sodann daraus ab, dass die vor einem auswärtigen Gericht verklagte Partei im Regelfall ein berechtigtes Interesse an der Zuziehung eines in ihrer Nähe ansässigen Anwalts habe. Er begründet dies mit der Möglichkeit einer mündlichen Erörterung mit einem in räumlicher Nähe residierenden Anwalt. Diese Begründung zeigt, dass der BGH die bisherige Rspr. des Hanseatischen OLG fortzuführen beabsichtigt, wonach die Kosten eines Rechtsanwalts am dritten Ort grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind.

Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eine Durchbrechung dieses Grundsatzes rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung der Erkrankung und des labilen psychischen Zustandes der Klägerin kann die Einschaltung der Korrespondenzanwälte in M. im vorliegenden Fall nicht als notwendig angesehen werden, so dass die Beklagte nicht mit diesen Kosten belastet werden kann. Im Übrigen wären im vorliegenden Fall Korrespondenzanwaltskosten für die zweite Instanz ohnehin nicht erstattungsfähig. Die Einschaltung eines Korrespondenzanwalts kann erforderlich sein zur Übermittlung eines komplizierten tatsächlichen Sachverhalts. Im vorliegenden Fall ging es in der zweiten Instanz jedoch im Wesentlichen nur noch um Rechtsfragen. Hinsichtlich weiterer ärztlicher Stellungnahmen waren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ohne weiteres in der Lage, diese aufgrund des bereits in erster Instanz geklärten Sachverhalts anzufordern und dem Prozessgericht vorzulegen.

Notwendige Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in erster Instanz sind dagegen zu erstatten, soweit sie nicht die bei Einschaltung eines Unterbevollmächtigten entstehenden Kosten übersteigen. Dies ergibt sich ebenfalls aus der zitierten neueren Rspr. des BGH. Davon ist die Rechtspflegerin des LG in ihrem Ergänzungsbeschluss vom 27.2.2003 bereits ausgegangen.

Da die Höhe der geltend gemachten Reisekosten bisher nicht überprüft ist, war die erneute Festsetzung der zu erstattenden Kosten einschl. der Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens der Rechtspflegerin zu übertragen.

Kniep

 

Fundstellen

Haufe-Index 1111341

MDR 2003, 1019

KammerForum 2003, 408

OLGR-BHS 2004, 104

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