Verfahrensgang
AG Hamburg-St. Georg (Aktenzeichen 981 F 174/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 28. Januar 2020 abgeändert.
I. Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. bewilligt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Ehescheidungsverfahren.
Die Beteiligten schlossen am 8. Februar 2018 die Ehe. Im Januar 2019 zog die Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung in Hamburg aus und zog zu ihrer Familie nach H. in Baden-Württemberg. Seitdem leben die Beteiligten räumlich getrennt voneinander und haben keinen persönlichen Kontakt mehr. Nach dem Auszug bezogen die Beteiligten vom Jobcenter bis mindestens August 2019 als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Die Beteiligten unterließen es zunächst, sich beim Jobcenter Hamburg abzumelden. In der Folge machte das Jobcenter diesbezüglich Rückforderungsansprüche geltend. Seit November 2019 erhält die Antragstellerin Zahlungen vom Jobcenter H..
Mit Antrag vom 4. November 2019 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht Hamburg - St. Georg einen Antrag auf Ehescheidung verbunden mit dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt. Den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2020 abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Ein Getrenntleben im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB liege nicht vor, da die Beteiligten bis mindestens August 2019 gegenüber dem Jobcenter in einer Bedarfsgemeinschaft lebten. Eine Trennung müsse nach außen erkennbar sein, was bei einer Bedarfsgemeinschaft gerade nicht der Fall sei. Vielmehr bedeute eine Bedarfsgemeinschaft das Fortbestehen einer gemeinsamen Haushaltskasse und eines gemeinsamen Wirtschaftsbereiches der Ehegatten.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. Februar 2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt die Antragstellerin an, dass das Amtsgericht das Getrenntleben der Beteiligten fehlerhaft abgelehnt habe. Es handele sich bei dem Bestehen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Jobcenter lediglich um ein formales Kriterium, das an der tatsächlich vollzogenen räumlichen Trennung als Scheidungsvoraussetzung nichts ändere.
Auf den Hinweis des Senats hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 ergänzend vorgetragen, dass sie dem Antragsgegner beim Auszug mitgeteilt habe, dass sie sich trennen und scheiden lassen möchte und die eheliche Lebensgemeinschaft als gescheitert betrachte. Sie habe beim Auszug sämtliche persönlichen Gegenstände mitgenommen. Der Antragstellerin sei nicht klar gewesen, dass sie sich dadurch, dass sie vergessen habe sich beim Jobcenter abzumelden, formal noch in einer Bedarfsgemeinschaft befunden habe. Dieses rechtliche Fehlverhalten könne ihr hinsichtlich der Scheidungsvoraussetzungen nicht entgegengehalten werden.
II. Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG; 114, 127 Abs. 2, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Antragstellerin begehrt die Ehescheidung. Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Gemäß § 1566 Abs. 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und der Antragsgegner der Ehescheidung zustimmt.
Die Ehegatten leben gemäß § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.
Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist primär die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Die häusliche Gemeinschaft bezeichnet nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft. Allein aus dem Nichtbestehen einer häuslichen Gemeinschaft ergibt sich ein Getrenntleben der Ehegatten noch nicht. Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann vielmehr auch dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte unterhalten. Einer von den Ehegatten vollzogenen räumlichen Trennung kann zum Beispiel dann nicht die Bedeutung eines geäußerten Trennungswillens zugemessen werden...