Leitsatz (amtlich)
Als angemessene Vergütung eines Nachlasspflegers ist als Stundensatz 110 EUR für schwierige, 95 EUR für mittelschwere und 65 EUR für einfache Nachlasspflegschaften anzusetzen.
Verfahrensgang
AG Hamburg-St. Georg (Aktenzeichen 970 VI 14/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg - Nachlassgericht - vom 8.6.2021 abgeändert.
Dem Nachlasspfleger Herrn Rechtsanwalt G.J. wird für seine Tätigkeit in der Zeit vom 23.8.2017 bis 11.4.2018 eine Vergütung aus dem Nachlass von J.C. in Höhe von 3.190,50 EUR zzgl. Umsatzsteuer festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 2) 60%, die Beteiligte zu 1) 40% zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.110 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Vergütung des Beteiligten zu 2) als Nachlasspfleger.
Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 18.8.2017 wurde der Beteiligte zu 2) als Pfleger für den Nachlass des Erblassers mit den Wirkungskreisen Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Erbenermittlung eingesetzt sowie angeordnet, dass die Pflegschaft berufsmäßig geführt werde. Mit Beschluss vom 18.12.2017 wurde der Beteiligten zu 1) ein Erbschein als Alleinerbin erteilt. Mit Schriftsatz vom 11.4.2018 beantragte der Beteiligte zu 2) beim Nachlassgericht unter Vorlage einer detaillierten Zeitaufstellung (Bl. 98 d.A.) die Aufhebung der aus seiner Sicht abwicklungsreifen Pflegschaft sowie die Festsetzung einer Schlussvergütung für die vom 23.8.2017 bis zum 11.4.2018 im Umfang von 37,3 Stunden ausgeführten Tätigkeiten zuzüglich Mehrwertsteuer sowie einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR zzgl. MwSt. Die Beteiligte zu 1) erhob Einwendungen (Bl. 114 d.A.).
Mit Beschluss vom 8.6.2021 setzte das Nachlassgericht die Vergütung des Beteiligten zu 2) für seine Tätigkeit in der Zeit vom 23.8.2017 bis zum 11.4.2018 in Höhe von 3.750,- EUR (netto) fest. Dabei ging es von einem Stundensatz von 100 EUR netto aus (37,3 Stunden × 100 EUR + 20 EUR Auslagen = 3.750 EUR).
Die Nachlasspflegschaft wurde bislang nicht aufgehoben.
Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 8.6.2021, der der Beteiligten zu 1) am 10.6.2021 zugestellt wurde, richtet sich ihre am Montag, 12.6.2021 beim Nachlassgericht eingegangene Beschwerde.
Die Beteiligte zu 1) trägt vor:
Der vom Nachlassgericht festgesetzte Stundensatz von 100 EUR netto entspreche weder der Schwierigkeit noch dem Umfang der Tätigkeit des Nachlasspflegers, zutreffend sei ein Stundensatz von höchstens 75 EUR. Ihre Ermittlung als Erbin sei aufgrund des in der Wohnung des Erblassers befindlichen Testaments, durch das sie als Alleinerbin eingesetzt worden sei, unproblematisch gewesen. Zu sichern gewesen sei lediglich der bewegliche Nachlass des Erblassers in seiner Wohnung. Für die nachfolgende Verzögerung der Schlussabwicklung bis zum 11.4.2018 sei kein Grund erkennbar. Der Nachlass habe ausschließlich aus Bankguthaben auf drei Konten des Erblassers bei der Postbank und der Bremer Landesbank in Höhe von ca. 87.000 EUR bestanden. Die Versteigerung des Hausrats habe einen Erlös von 150 EUR erbracht. Zu berichtigende Verbindlichkeiten hätten lediglich hinsichtlich der Mietwohnung des Erblassers und der Versorgungsträger bestanden, ferner seien noch überzahlte Altersbezüge rückgängig zu machen und die Bestattungskosten zu begleichen gewesen. Besondere Aufklärungs- oder sonstige Anforderungen an die Nachlasspflegschaft seien nicht ersichtlich. Weder habe ein besonderes Haftungsrisiko bestanden, noch seien für die Führung der Nachlasspflegschaft anwaltliche Fachkenntnisse erforderlich gewesen. Ein ganz erheblicher Teil der vorgenannten Tätigkeiten einschließlich der abgerechneten Telefonate sei durch die Mitarbeiterinnen des Nachlasspflegers erledigt worden. Zu einem direkten Kontakt der Beteiligten sei es überhaupt nicht gekommen. Der Nachlasspfleger habe auf Anfragen entweder überhaupt nicht oder nur schleppend reagiert, weswegen weitere - vom Nachlasspfleger wiederum abgerechnete - Telefonate erforderlich geworden seien.
Der Senat hat mit Verfügung vom 18.12.2022 darauf hingewiesen, dass eine Absenkung des Stundensatzes auf 85 EUR netto in Betracht komme.
Der Beteiligte zu 2) trägt hierzu sowie mit Blick auf das Beschwerdevorbringen vor:
Zur sachgemäßen Bestimmung des Stundensatzes bedürfe es einer Einsichtnahme des Gerichts in die Akten des Nachlasspflegers, da sich der wahre Arbeitsumfang nur aus diesen Akten ergebe. Werde hiervon abgesehen, begründe das einen Ermessensfehler. Im Rahmen der Nachlasspflegschaft sei die rechtliche Situation des Mietverhältnisses des Erblassers zu prüfen gewesen, da der Vermieter die Wohnung habe zurückerhalten wollen. Durch das Auffinden des Testaments, in dem die Beteiligte zu 1) als Erbin eingesetzt worden sei, habe sich die Frage gestellt, ob der Vermieter hierauf einen Anspruch gehabt habe. An sich sei es sogar möglich gewesen, dies...