Leitsatz (amtlich)
Die dem Mieter eines Gaststättenlokals formularvertraglich auferlegte „Betreibungspflicht während der gesetzlichen Öffnungszeiten” ist nicht nach § 9 AGBG a.F. unwirksam, auch nicht bei gleichzeitigem Ausschluss von Konkurrenzschutz.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 311 O 249/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 11, vom 27.11.2001 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, das in den Räumen … in Hamburg betriebene Restaurant an Werktagen mit Ausnahme von Dienstags und Samstags in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr und von 18.00 bis 20.00 Uhr, am Dienstag und Samstag in der Zeit von 18.00 bis 20.00 Uhr geöffnet zu halten und zu betreiben, mit Ausnahme eines wöchentlichen Ruhetags, der von der Beklagten zu bestimmen ist.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin 20 %, dem Beklagten 80 % auferlegt. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Klägerin zu 20 %, dem Nebenintervenienten zu 80 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung des Hauptanspruchs abwenden durch Sicherheitsleistung von 25.000 Euro und des Kostenerstattungsanspruchs durch Sicherheitsleistung von 5.000 Euro, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung von 1.200 Euro und die Vollstreckung des Nebenintervenienten durch Sicherheitsleistung von 300 Euro abwenden, wenn der Beklagte bzw. der Nebenintervenient nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin vermietete dem Beklagten Gewerberäume zum Betrieb eines Restaurants. Die als Anlage 3 in den Mietvertrag vom 29.10.1993 (Anlage K 1) einbezogenen „Allgemeine Vertragsvereinbarungen Gewerbemietvertrag (AVG)” lauten in § 2 Ziff. 3: „Bei Ladenlokalen und Gaststätten obliegt dem Mieter die Betreibungspflicht während der gesetzlichen Öffnungszeiten.” § 16 S. 1 der AVG lautet: „Der Vermieter gewährt keinen Konkurrenz- und Sortimentsschutz.”
Der Restaurantbetrieb ist vor Monaten vom Beklagten bzw. seinem Untermieter, dem Nebenintervenienten, eingestellt worden. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Betriebspflicht-Vereinbarung im Hinblick auf § 9 AGBG a.F.
Mit Urteil vom 27.11.2001, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, hat das LG den Klagantrag zur Verurteilung des Beklagten, das Restaurant zu im Einzelnen bestimmten Zeiten geöffnet zu halten und zu betreiben, abgewiesen. Nach Zustellung des Urteils an die Klägerin am 5.12.2001 hat diese am 13.12.2001 Berufung eingelegt und die Berufung am 14.1.2001 (Montag) begründet.
Sie hält die Klausel nach wie vor für wirksam. Auf Anregung des Senats hat sie den zunächst unverändert weiter verfolgten Klagantrag im Hinblick auf die täglichen Öffnungszeiten des Restaurants eingeschränkt und die weitergehende Berufung zurückgenommen. Die Klägerin beantragt nunmehr, wie erkannt.
Der Beklagte und der Nebenintervenient betragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie meinen, die Betriebspflicht-Vereinbarung sei auch wegen ihres Zusammenhangs mit der vereinbarten Sortimentsbindung und dem Ausschluss von Konkurrenzschutz nichtig.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist mit dem jetzt eingeschränkten Antrag begründet. Die Vertragsklausel zur Betriebspflicht gem. § 2 Ziff. 3 der AVG ist wirksam vereinbart worden.
1. Vorrangig vor der Inhaltskontrolle gem. § 9 AGBG a.F. ist die Auslegung der Klausel. Das LG hat sie im Sinne einer Pflicht verstanden, jederzeit im Rahmen der gesetzlichen Öffnungszeiten das Restaurant zu betreiben, ohne dass Ruhetage, Betriebsferien oder ähnliche Betriebsunterbrechungen erlaubt hätten sein sollen.
a) Hinsichtlich der Öffnungszeiten würde diese Auslegung bedeuten, dass das Restaurant täglich an 22 bzw. sogar an 24 Stunden betrieben werden solle (vgl. S. 2 der Klagerwiderung, Bl. 9 d.A.). Dies kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der typischen beiderseitigen Interessen sowie nach Sinn und Zweck der Klausel in aller Regel nicht gemeint gewesen sein (vgl. zu diesen Auslegungskriterien Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 5 AGBG Rz. 7; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG-Gesetz, 4. Aufl., § 5 Rz. 7). Nur in extremen Ausnahmefällen würden solche Öffnungszeiten den Interessen zumindest eines der Beteiligten entsprechen. Bei Einbeziehung auch der individual-vertraglichen Umstände (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 5 AGBG Rz. 6; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG-Gesetz, 4. Aufl., § 5 Rz. 17) kommt eine solche Auslegung erst recht nicht in Betracht, da das Mietobjekt zu einem kleineren Geschäfts- und Dienstleistungszentrum in B …, also einer ländlichen Stadtrandgemeinde gehört.
Einen Sinn macht die Betreibungspflicht „während der gesetzlichen Öffnungszeiten” für die in die Klausel einbezogenen Ladenlokale, zu mal in einem Einkaufszentrum, zu dem das Restaurant zumindest nach ...