Leitsatz (amtlich)
1. Die formularmäßige Festlegung einer Betriebspflicht in einem Mietvertrag über die Nutzung von Gewerberäumen in einem Einkaufszentrum durch einen Lebensmittel-Discounter ist nicht deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil dem Mieter zugleich eine Sortimentsbindung auferlegt wird und Konkurrenzschutz ausgeschlossen ist (abweichend von OLG Schleswig, Beschl. v. 2.8.1999 - 4 W 24/99; im Anschluss an: OLG Hamburg, Urt. v. 3.4.2002 - 4 U 236/01; OLG Rostock, Urt. v. 8.3.2004 - 3 U 118/03; KG, Urt. v. 18.10.2004 - 8 U 92/04).
2. a) Die formularmäßig in einem Mietvertrag über die Nutzung von Gewerberäumen in einem Einkaufszentrum durch einen Lebensmittel-Discounter geregelte Offenhaltungspflicht, derzufolge zeitweilige Schließungen "wie Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien" untersagt und Unterbrechungen wegen Inventuren und Betriebsversammlungen gestattet werden, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, weil - auch mit Rücksicht auf die Interessen der betroffenen Verkehrskreise - die Einlegung einer Mittagspause sämtlicher Mitarbeiter eines Lebensmittel-Discounters in einem Einkaufscenter ebenso wenig branchentypisch und der Verkehrssitte entsprechend ist wie die Schließung aufgrund von Betriebsferien oder eines Ruhetages.
b) Die - unterstellte - Unwirksamkeit des vorerwähnten Ausschlusses kurzzeitiger Geschäftsschließungen erstreckte sich, ohne damit gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu verstoßen, nicht auch auf die formularmäßig geregelte Betriebspflicht, die die auf Dauer angelegte Nutzung der Geschäftsräume regelt.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 08.01.2008; Aktenzeichen 12 O 50/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Halle vom 8.1.2008 - 12 O 50/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 106.513,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer in einem Gewerberaummietvertrag vereinbarten Betriebspflicht.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten vermietete mit Formularvertrag vom 12.1.1995 (Anlage K 1, Bl. 8 ff. I) an die D. AG ein Ladenlokal zum Betrieb eines Lebensmittel-Discountermarktes im Einkaufscenter "Nahversorgungszentrum H..N." auf die Dauer von 15 Jahren ab Übergabe. Die Geschäftsräume wurden am 17.9.1996 an die Klägerin übergeben, die das Vermögen der D. AG durch Verschmelzungsvertrag vom 13.6.1996 übernommen hatte. Später erwarb die Beklagte das Mietobjekt von der Vermieterin.
In § 1/I Nr. 2 des Mietvertrages heißt es (Bl. 9 I):
"Die Vermietung erfolgt zur ausschließlichen Nutzung als: T.-Discount einschließlich der dazugehörenden Rand- und Nebensortimente. Der Mieter verpflichtet sich, das Sortiment entsprechend der oben angeführten Beschreibung einzuhalten. Eine Änderung der genannten Nutzung oder des Sortiments ist dem Mieter ohne vorherige Zustimmung des Vermieters nicht gestattet. Dem Mieter wird keine Sortimentsausschließlichkeit zugesichert. Konkurrenzschutz ist ausgeschlossen."
§ 11/II des Mietvertrages regelt die "Betreibungs-/Offenhaltungspflicht" des Mieters.
Nr. 1 und Nr. 3 der genannten Regelung lauten (Bl. 21 I):
"1. Der Mieter ist verpflichtet, den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend ununterbrochen zu nutzen. Er wird die Mieträume weder ganz noch teilweise unbenutzt oder leerstehen lassen. ...
3. Das Geschäftslokal ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen zu den vom Vermieter festgelegten Öffnungszeiten offenzuhalten. Aus einer bloßen Duldung abweichender Öffnungszeiten durch den Vermieter kann der Mieter keine Rechte herleiten. Zeitweise Schließungen (wie Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien) sind nicht zulässig, ausgenommen sind Inventuren oder Betriebsversammlungen."
Wegen des Weiteren Inhalts des Mietvertrages wird auf Anlage K 1 (Bl. 8-48 I) Bezug genommen.
Der Leerstand in dem Einkaufszentrum hat über die Jahre von zunächst 20 % auf über 40 % zugenommen.
Mit Schreiben vom 30.1.2007 (Anlage K 2, Bl. 49 I) begehrte die Hausverwaltung der Klägerin eine Bestätigung der Beklagten, dass sie an der Betriebspflicht nicht länger festhalte, was von der Beklagten u.a. mit Schreiben vom 18.4.2007 (Anlage B 1) abgelehnt wurde, wegen dessen Inhalts auf Bl. 64 f. I verwiesen wird.
Im April 2007 räumte die Untermieterin der Klägerin das Ladenlokal.
Nachdem nach Klageabfassung zwei weitere Ladengeschäfte geschlossen hat...