Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.07.1999)

 

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 9. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller, ein nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG legitimierter Verein, der satzungsgemäß die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, darunter zahlreiche Pharma-Unternehmen, zu wahren und darauf zu achten hat, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden, nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassen in Anspruch, weil diese u.a. in der Zeitschrift „B” vom 15. März 1999 in folgender Weise geworben hat:

Im Hinblick auf die Äußerung „…” hat sich die Antragsgegnerin strafbewehrt unterworfen. Beide Mittel sind nicht als Arzneimittel zugelassen. Die …-Tee-Kapseln enthalten neben Gelatine ein Konzentrat, das dem Aufguss von je drei bis vier Tassen eines in der Nähe der chinesischen Stadt … angebauten Tees entspricht, der in einer besonderen Weise fermentiert wird. Die …-Kapseln enthalten ein Extrakt unter Zusatz von Zitronensäure, Honigpulver und Magnesiumstearat. Die Mittel werden in runden Kunststoffdosen mit dem Hinweis „zur Nahrungsergänzung” vertrieben.

Über die Wirkungen von …-Tee und … ist sowohl positiv als auch kritisch in Veröffentlichungen berichtet worden. Die Zeitschrift … leitete eine Untersuchung mit dem Hinweis ein, „der chinesische …-Tee ist ein Kassenschlager, seit er als … gepriesen wird”. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung erklärte, dass in letzter Zeit in Zeitschriften und Verbraucherratgebern „immer häufiger” Essig als „Allround-Heilmittel aus der Natur” gegen vielerlei Beschwerden und zur Gewichtsreduzierung angepriesen werde, ohne dass es Belege für eine heilende Wirkung von Essig gebe.

Nach Auffassung des Antragstellers erfüllen beide Mittel aus der Sicht des Verkehrs die Merkmale eines zulassungspflichtigen Arzneimittels, weil sie weder der Ernährung noch dem Genuss dienten. Die Antragsgegnerin nutze die von interessierter Seite lancierte Berichterstattung, wonach sie als Schlankheitsmittel geeignet seien. Tatsächlich komme ihnen eine solche Wirkung nicht zu.

Das Landgericht hat es abgelehnt, der Antragsgegnerin zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr die Mittel

  1. „…-Tee Kapseln”,
  2. „… Kapseln”

ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für ein Werbeverbot nach § 3 a HWG und für ein Vertriebsverbot nach §§ 2, 21 AMG i. V. m. § 1 UWG sind nicht erfüllt, weil es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten nicht um Arzneimittel handelt.

1. Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen von Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Körperschäden zu verhüten (Nr. 1), vom menschlichen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen (Nr. 3) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (Nr. 5). Danach würde im Regelfall jedes Nahrungsmittel dazugehören, das dazu dient, den Körper gesund und funktionsfähig zu erhalten. Andrerseits ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, daß ein Lebensmittel im Sinne von § 1 LMBG nicht zugleich ein Arzneimittel sein kann. Nach dieser Vorschrift sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen verzehrt zu werden, es sei denn, dies geschehe überwiegend zu anderen Zwecken als denen der Ernährung oder des Genusses.

Entscheidend für die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel oder Lebensmittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Die maßgebende Verkehrsanschauung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt (BGH, Urteil vom 10.02.2000 – I ZR 97/98, WRP 2000, 510, 512 – L-Carnitin, GRUR 1995, 419, 421 – Knoblauchkapseln).

2. Danach kommt nach den eigenen Ausführungen des Antragstellers ein Verbot nicht in Betracht, denn die Mittel sind danach wirkungslos. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 10.02.2000 ausgeführt, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher im Allgemeinen nicht annehm...

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