Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit eines trotz Unterbrechung des Verfahrens wegen Insolvenzeröffnung ergangenen Urteils durch Insolvenzschuldner
Normenkette
ZPO §§ 240, 249, 538 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 16.05.2003; Aktenzeichen 308 O 380/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 16.5.2003 und das Verfahren aufgehoben und die Sache an das LG - auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens - zurückverwiesen.
Gründe
I. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG am 2.12.1998 einen Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss, wonach wegen einer angeblichen Forderung der Klägerin aus unerlaubter Handlung i.H.v. mindestens 4 Mio. DM und einer Kostenpauschale der dingliche Arrest i.H.v. 4.155.242,50 DM in das im Inland befindliche Vermögen des Beklagten angeordnet und die dem Beklagten gegen sieben Drittschuldner angeblich zustehenden Forderungen gepfändet wurden (Bl. 20-24 d.A.). Am 22.1.2001 wurde das Insolvenzverfahren gegen den Beklagten eröffnet (Bl. 205/206 d.A), ohne dass das LG hiervon Kenntnis erhielt. Demzufolge wurde auf den am 14.2.2003 eingelegten Widerspruch des Beklagten mündlich verhandelt und durch das am 16.5.2003 verkündete Urteil der Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss bestätigt (Bl. 165-183 d.A.). Gegen das ihm am 12.9.2003 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 25.9.2003 Berufung ein. Der Insolvenzverwalter zeigte mit Schriftsatz vom 7.10.2003 ggü. dem Senat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an. Mit Schriftsatz vom 25.1.2005 beantragte der Beklagte, dem Verfahren Fortgang zu geben. Er behauptete, der Insolvenzverwalter habe den aus dem streitbefangenen Sachverhalt resultierenden Anspruch freigegeben. Das erstinstanzliche Urteil habe im Übrigen gar nicht ergehen dürfen.
Der Beklagte hat zunächst schriftsätzlich den Antrag angekündigt, den Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 2.12.1998 in der Urteilstenorierung vom 30.4.2003, wonach die zu sichernde Hauptforderung 2.045.167,50 EUR und die zu sichernde Kostenpauschale 79.374,23 EUR beträgt, mithin der Arrestbetrag sich auf 2.124.454,73 EUR beläuft, mit dem landgerichtlichen Urteil aufzuheben, hilfsweise, den vorstehenden Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 2.12.1998 wegen veränderter Umstände gem. § 927 ZPO aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Hamburg aufzuheben und das Verfahren an das LG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LG zurückzuverweisen, weiter hilfsweise, festzustellen, dass der Rechtsstreit erledigt ist und der Antragsgegner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, weiter hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen und den Arrestbefehl und Pfändungsbeschluss vom 2.12.1998 im Rahmen des Anspruches des landgerichtlichen Urteils vom 16.5.2003 zu bestätigen.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LG.
Eine gerichtliche Entscheidung, die während eines Verfahrensstillstandes nach § 249 ZPO ergeht, ist nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (BGH v. 31.3.2004 - XII ZR 167/00, BGHReport 2004, 973 = MDR 2004, 1077, m.w.N.). Hat das mit der Sache befasste Gericht die Rechtsfolge der Unterbrechung eines Gerichtsverfahrens infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des verklagten Schuldners gem. §§ 240, 249 ZPO außer Acht gelassen, ist auch der Insolvenzschuldner befugt, eine solche Entscheidung mit Hilfe des gesetzlichen Rechtsmittels zu beseitigen und auf diese Weise den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen (BAG KTS 2001, 371). Insoweit bleibt der Insolvenzschuldner selbst prozessführungsbefugt (BGH NJW 1995, 2563).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, wie auch die Klägerin nicht in Abrede nimmt. Fristen zur Einlegung oder Begründung der Berufung waren gem. § 249 ZPO nicht zu beachten. Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich der Beklagte treuwidrig verhält, wenn er die Unterbrechungswirkung erst im Berufungsverfahren geltend macht.
Das Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das LG zurückzuverweisen, und zwar in analoger Anwendung des § 538 Abs. 2 ZPO (OLG Oldenburg v. 22.2.2005 - 2 U 97/04, MDR 2005, 836 = OLGReport Oldenburg 2005, 289 [290]).
Fundstellen
ZVI 2006, 64 |
OLGR-Nord 2005, 765 |