Leitsatz (amtlich)
1. Eine gegenüber Verbrauchern unter ausdrücklichem Hinweis auf § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausgesprochene außerordentliche Kündigung eines mit diesen zum Zwecke einer sogenannten Riester-Rente abgeschlossenen Versorgungssparplans verstehen die Verbraucher nach den Umständen lediglich als eine geäußerte Rechtsansicht ohne Feststellungscharakter, also als eine bloße Meinungsäußerung, was der Annahme einer Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG entgegensteht (Anschluss an BGH, GRUR 2019, 754 - Prämiensparverträge).
2. Der Umstand, dass der Vertragspartner im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Vertragskündigung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung herangezogene gesetzliche Vorschrift (§ 313 BGB) möglicherweise nicht greifen könnte, die Kündigung also unberechtigt sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, der Kündigende habe - mit Feststellungscharakter - eine eindeutige Rechtslage, also eine Tatsache, behauptet.
Normenkette
AltZertG; BGB § 313; UWG § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 5, Abs. 3a, § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nrn. 1, 7
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 24.01.2018; Aktenzeichen 416 HKO 196/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.01.2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angegriffene und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem jeweiligen Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger, eine Verbraucherzentrale, nimmt die Beklagte, eine Privatbank, auf Unterlassung einer Behauptung in Anspruch, von der der Kläger der Ansicht ist, dass die Beklagte diese mit einem Schreiben gemäß der Anlage K 3, mit denen sie einen sogenannten CHD-Vorsorgesparplan gekündigt hat, aufgestellt hat.
Die Beklagte hatte in der Vergangenheit mit Kunden den aus der Anlage K 2 ersichtlichen CHD-Vorsorgesparplan geschlossen, der als sogenannter Riestervertrag staatlich gefördert wird. Diesen Vertrag hat die Beklagte durch das aus der Anlage K 3 ersichtliche Schreiben vom April 2017 gekündigt. Nach dem Inhalt jenes Schreibens hatte die Beklagte ihr Bankbasissystem über eine genossenschaftliche Rechenzentrale geführt, die sich im Jahre 2015 mit einer weiteren genossenschaftlichen Rechenzentrale zusammengeschlossen hat mit der Folge, dass das bis dahin genutzte Bankbasissystem der Beklagten auf ein neues Bankbasissystem der neu verbundenen genossenschaftlichen Rechenzentralen umgestellt worden ist. In dem genannten Schreiben weist die Beklagte darauf hin, dass die CHD-Vorsorgesparpläne nicht in die "neue IT-Landschaft" übernommen werden könnten, worauf der angeschriebene Kunde bereits im September des Vorjahres hingewiesen worden sei. Da der Kunde die Möglichkeit zu einem schon angebotenen kostenneutralen Anbieterwechsel zur S.I. nicht innerhalb der im vorangegangenen Schreiben gesetzten Frist wahrgenommen habe, werde der CHD-Vorsorgevertrag außerordentlich gekündigt. Weiter heißt es dort: "Wir stützen uns hierbei auf § 313 BGB.".
Der Kläger hat die Ansicht vorgetragen, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen §§ 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 UWG, gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG sowie gegen § 3a UWG.
Die Beklagte täusche den Verbraucher über die diesem zustehenden Rechte. Das Schreiben enthalte unrichtige und mithin irreführende Angaben zur vermeintlichen Rechtsgrundlage der Kündigung. Dadurch verschaffe sich die Beklagte weiter gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern einen Vorsprung durch Rechtsbruch, indem sie sich von den für sie offensichtlich unlukrativen Verträgen löse, obgleich die von ihr behauptete Rechtsgrundlage nicht einschlägig sei.
Entgegen der Darstellung in dem Kündigungsschreiben gemäß der Anlage K 3 bestehe kein außerordentliches Kündigungsrecht der Beklagten wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Weder sei die Nutzung der ursprünglichen "IT-Landschaft" Geschäftsgrundlage des abgeschlossenen Sparvertrages gewesen noch könne sich die Beklagte auf einen Wegfall dieser angeblichen Geschäftsgrundlage berufen, denn sie trage das Risiko dieser Störung und könne zudem nach ständiger Rechtsprechung aus der von ihr selbst herbeigeführten Veränderung (Wechsel der "IT-Landschaft") keine Rechte herleiten. Altersvorsorge-(Riester-)Verträge seien von vornherein auf Altersvorsorge angelegt. Eine vorzeitige Kündigung durch den Anbieter sei nicht vorgesehen, sondern nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) ausgeschlossen. Darauf, dass die Beklagte ein ähnliches Konzernprodukt angeboten habe, komme es nicht an.
Es liege eine geschäftliche Handlung vor. Die Behauptung, der Vertrag könne einseitig von Seiten ...