Leitsatz (amtlich)
Verhindert der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH & Co KG nicht, dass Vorauszahlungen von Kunden auf das debitorisch geführte Kontokorrentkonto gelangen, liegt eine masseschmälernde Zahlung im Sinne von § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB dennoch nicht vor, wenn diese Vorauszahlungen bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten nicht zur Masse gelangt wären und auch vom Insolvenzverwalter nicht beansprucht werden können.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Juni 2017, Az. 404 HKO 24/16, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
5. Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 4.000.983,23 Euro.
Gründe
Der Kläger begehrt vom Beklagten als ehemaligem Geschäftsführer der Schuldnerin in Höhe von 4.000.983,23 Euro die Erstattung von Zahlungen, die zwischen dem 19. Juli und dem 4. August 2010 auf dem debitorischen Konto der Schuldnerin bei der eingegangen sind.
Für den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird mit den folgenden Ergänzungen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
In der Klageschrift vom 29. März 2016 hatte der Kläger in einer Aufstellung sämtlicher Einzahlungen auf die debitorisch geführten Konten der Schuldnerin diejenigen Einzahlungen gelb markiert, die den Gegenstand der Klage ausmachen sollten (S. 58 ff. der Klageschrift). Dies ergab eine Gesamtsumme von 4.532.787,63 Euro. Hiervon hatte er einen Betrag in Höhe von 531.804,40 Euro abgezogen, den die H-Bank nach Anfechtung der vereinnahmten Einzahlungen durch den Kläger im Rahmen eines Vergleichs an die Insolvenzmasse erstattet hat, wobei sich diese Zahlung nicht auf einzeln verrechnete Gutschriften bezog. Nachdem der Beklagte in seiner Klageerwiderung Einwendungen gegen die Aufstellung des Klägers erhoben hatte, hat der Kläger in seiner Replik vom 12. August 2016 die zurückzuerstattenden Zahlungen auf die in der Tabelle auf Seite 6 der Replik vom 12. August 2016 aufgeführten Beträge in Höhe von 4.000.983,23 Euro konkretisiert. Ob der Kläger in dieser Aufstellung die Zahlung der H-Bank verrechnet hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Charterreisen, wie sie die Schuldnerin durchgeführt hat, stets im Voraus bezahlt werden. Der Beklagte hat insoweit die Auffassung vertreten, dass diese Vorauszahlungen nicht mehr erfolgt wären, wenn er die (langjährigen) Geschäftspartner aufgefordert hätte, nicht mehr auf die Konten bei der H-Bank, sondern auf ein neu eröffnetes (kreditorisches) Konto zu zahlen. In diesem Fall wäre die Insolvenzreife offensichtlich geworden. Namentlich gelte das sowohl für die Reiseveranstalter ÖT-GmbH, ÖTT-GmbH und die HL Ltd. sowie für diejenigen Fluggesellschaften, für die die Schuldnerin einen sog. Sub-Service durchgeführt habe (AB-Luftverkehrs KG, C-Flugdienst, G.., T-A). Zudem hätte die H-Bank umgehend einen Insolvenzantrag für die Schuldnerin gestellt, wenn auf dem Kontokorrentkonto keine Eingänge mehr erfolgt wären.
Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Schuldnerin habe bereits vor dem Stichtag 19. Juli 2010 ihre Zahlungen eingestellt. So habe sie mehrere offene Forderungen bis zuletzt nicht beglichen. Soweit sich der Beklagte auf Stundungen nach Fälligkeit berufe, sei dies unerheblich, da es entscheidend darauf ankomme, dass die Schuldnerin bei Fälligkeit nicht in der Lage gewesen sei, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Da die Stundungen über mehrere Monate hinweg erfolgt seien, liege auch keine nur vorübergehende Zahlungsstockung vor. Der Beklagte habe nicht dargetan, dass er diese Insolvenzreife unverschuldet nicht erkannt habe, vielmehr sei für ihn erkennbar gewesen, dass die Forderungen auf absehbare Zeit nicht hätten beglichen werden können. Der Beklagte könne sich auch nicht auf die Verlängerung der Betriebserlaubnis durch das Luftfahrt-Bundesamt berufen, weil dieses fachlich nicht qualifiziert sei, die Insolvenzreife eines Unternehmens festzustellen. Bei der Konsultation des Rechtsanwalts K... habe der Beklagte lediglich eine Auskunft erhalten. Eine sachverständige Beratung durch die für die Erstellung des Sanierungskonzepts 2009 beauftragten Wirtschaftsprüfer sei nicht erfolgt. Die Einzahlungen seien auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Hierfür komme es auf den hypothetischen Verlauf nicht an. Vielmehr müssten Zahlungen mit der Abs...