Entscheidungsstichwort (Thema)
Mängel der Mietwohnung: Verlust von Mietminderungsansprüchen durch vorbehaltlose Mietzinszahlung seitens des Mieters und Verlust von Mietnachzahlungsansprüchen des Vermieters
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein auch für die Zukunft wirksamer Verzicht auf Gewährleistungsrechte infolge vorbehaltloser Mietzinszahlung (BGB § 539 analog) liegt nicht vor, solange der Mieter eine Minderung androht und diese Androhung - eventuell mehrmals - zeitnah wiederholt.
2. Der Vermieter verliert Nachzahlungsansprüche nach längerer widerspruchsloser Hinnahme einer Mietzinsminderung entsprechend den gleichen Grundgedanken, die für den Verlust von Gewährleistungsrechten des Mieters nach längerer vorbehaltloser Mietzinszahlung maßgeblich sind.
Normenkette
BGB §§ 242, 539
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 13.01.1997; Aktenzeichen 311 O 247/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 11, vom 13. Januar 1997 abgeändert und – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – neu gefaßt.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 12.338,62 DM nebst 8 % Zinsen auf 10.682,62 DM seit dem 8. Februar 1996 und auf weitere 1.656,00 DM seit dem 2. Oktober 1996 zu zahlen. In Höhe von 8.658,62 DM beruht diese Verurteilung auf dem Anerkenntnis des Beklagten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Kläger 75 %, der Beklagte 25 %. Von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Kläger 76 %, der Beklagte 24 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Durch dieses Urteil werden die Kläger in Höhe von 16.865,00 DM beschwert, der Beklagte in Höhe von 5.180,00 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist zum überwiegenden Teil sachlich begründet.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung der Mietzinsbeträge, die der Beklagte wegen undichter Fenster, wegen Behinderungen des Zugangs zum Mietobjekt und zur Winde und wegen fehlender Klingelanlage mietmindernd einbehalten hat.
a) Der Senat ist nicht der Ansicht, daß die Minderung durch eine vorbehaltlose Mietzinszahlung in entsprechender Anwendung des § 539 BGB ausgeschlossen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und welche Mängel der Beklagte seit Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1981 gerügt und welche Vorbehalte er insoweit gemacht hat. Mit Wirksamwerden der Verlängerungsoption für die Zeit ab 1. Oktober 1991 und der in diesem Zusammenhang vom Beklagten akzeptierten Mieterhöhung um ca. 45 % wurde das Preis-Leistungs-Verhältnis auf eine neue Grundlage gestellt. Dabei machte der Beklagte deutlich, daß er den erhöhten Mietzins in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zum Wert des mangelhaften Mietobjekts erachtete und behielt sich angemessene Mietminderungen ausdrücklich vor (Schreiben vom 17. Mai 1991 und 1. Oktober 1991, Anlagen B 9, B 10). In einem derartigen Fall leben zunächst erloschene Gewährleistungsrechte wieder auf (vgl. BGH MDR 1965, 654; OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 399, 400; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 537 Rn. 97; Wolf/Eckert, Gewerbliches Miet-, Pacht- und Leasingrecht, 7. Aufl., Rn. 328).
Das Verhalten des Beklagten seit dem 1. Oktober 1991 steht der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten nicht entgegen. Der im Schreiben vom 1. Oktober 1991 erklärte Vorbehalt angemessener Mietminderungen bezog sich ausdrücklich auf Mängel hinsichtlich der Zugänglichkeit des Mietobjekts und auf die fehlende Gegensprechanlage sowie auf mehrfach gerügte bauliche Mängel, womit erkennbar auf die im Schreiben vom 17. Mai 1991 gerügte Undichtigkeit der Fenster Bezug genommen wurde. Einen weiteren ausdrücklichen Minderungsvorbehalt wegen derselben Mängel erklärte er mit Schreiben vom 24. Januar 1992 (Anlage B 11). Noch einmal wurden mit Anwaltsschreiben des Beklagten vom 1. April 1992 Mietminderungen – neben der Einleitung gerichtlicher Schritte – angedroht für den Fall, daß die dort bestimmten Beseitigungsfristen bezüglich der erneut ausführlich beschriebenen Mängel fruchtlos verstreichen sollten. Angesichts dieser im Abstand von knapp vier und weiteren zwei Monaten wiederholten Minderungsvorbehalte und der sodann einen Monat nach Fristablauf begonnenen Mietminderung konnten die Kläger zu keinem Zeitpunkt den Eindruck gewinnen, ihr Mieter habe sich mit der Gebrauchsbeeinträchtigung abgefunden und auf Gewährleistungsrechte verzichtet. Im Hinblick auf diesen für den Rechtsverlust des Mieters maßgeblichen Gesichtspunkt (vgl. BGH NJW 1997, 2674, 2675; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., II Rn. 663; Staudinger/Emmerich, § 537 Rn. 96) macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Mieter einen Rückforderungsvorbehalt oder – wie hier – einen Vorbehalt künftiger Minderung erklärt.
b) Daß die Kläger tatsächlich nicht davon ausgegangen sind, der Beklagte habe auf Gewährleistungsrechte verzichtet, zeigte sich darin, daß sie jahrelang die Minderungen des Beklagten vorbehaltlos hinnahmen. Daraus durfte umgekehrt der Beklagte den Eindruck gewinnen, daß sich die Kläger ...