Entscheidungsstichwort (Thema)
Homosexualität des Sohnes rechtfertigt nicht die Entziehung des Pflichtteils durch den Vater
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn der erwachsene Sohn homosexuell ist und in einer gleichgeschlechtlichen Dauerbeziehung lebt, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 2333 Nr. 5 BGB. Hierin ist kein „ehrloser und unsittlicher Lebenswandel” gegen den Willen des Erblassers zu sehen, auch wenn dies aus Sicht des Erblassers so sein mag. Was ein ehrloser und unsittlicher Lebenswandel ist, ist – unter Berücksichtigung der Lebensführung und des sittlichen Verhältnisses des Erblassers und seiner Familie – nach den objektiven Wertvorstellungen der Gesellschaft zu ermitteln. Eine allgemeingültige Auffassung, wonach das Zusammenleben unverheirateter Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts ein einer eheähnlichen Gemeinschaft, anstössig ist, lässt sich nicht feststellen.
Normenkette
BGB § 2333 Nrn. 3, 5
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 07.11.1986; Aktenzeichen 1 O 138/86) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 1, vom 7. November 1986 – 1 O 136/86 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.500,– abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Die Beschwer des Klägers beträgt DM 40.000,–.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, dem Beklagten seinen Pflichtteil zu entziehen.
Der Kläger ist der Vater des Beklagten, der sich als niedergelassener Arzt auch mit der AIDS-Forschung befaßt. Der im Jahre 1945 geborene Beklagte entstammt der ersten, im Jahre 1939 geschlossenen Ehe des Klägers, aus der außerdem eine ältere Schwester, Frau D. geb. H., hervorging. Bald nach Kriegsende trennte sich der Kläger von seiner Familie. Eine später von ihm erhobene Scheidungsklage wurde durch Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 3.7.1964 abgewiesen (3 R 41/64). Mit Urteil vom 9.3.1965 (5 U 132/64) wies das Oberlandesgericht Schleswig die Berufung zurück und schied die Ehe auf die Widerklage der Mutter des Beklagten aus alleinigem Verschulden des Klägers. Im Rahmen dieses Rechtsstreits sagte auch der Beklagte als Zeuge aus. Am 7.5.1965 heiratete der Kläger zum zweiten Mal; diese Ehe, aus der ein weiteres Kind stammt, besteht noch heute. Das Verhältnis zwischen den Parteien, das auch durch mehrere Unterhaltsprozesse belastet wurde, ist seit langem zerrüttet. Ein persönlicher Kontakt hat seit mehr als 20 Jahren nicht mehr bestanden.
Mit Schreiben vom 10.9.1985 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung auf, in notarieller Form auf den Pflichtteil zu verzichten. Mit Schreiben vom 30.9.1985 wiederholte der Kläger dieses Verlangen und drohte dem Beklagten, die zu erhebende Klage der Ärztekammer vorzulegen. Mit weiterem, an den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten gerichteten Schreiben vom 11.10.1985 wiederholte der Kläger diese Drohung und begründete seinen Anspruch auf Entziehung des Pflichtteils damit, daß sich der Beklagte unwiderruflich der Homosexualität verschrieben habe. Am 16.1.1986 erstattete der Beklagte wegen dieses Verhaltens durch seinen Prozeßbevollmächtigten Strafanzeige. Nach Anklageerhebung stellte das Amtsgericht Hamburg das Verfahren mit Beschluß vom 11.2.1987 gem. § 153 Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Buße von DM 2.000,– ein. Am 31.10.1986 erstattete der Kläger gegen den Beklagten Strafanzeige wegen dessen Behauptung im Schriftsatz vom 21.10.1986: „Der Kläger, der sein Handwerk ausgerechnet bei der Gestapo gelernt hat …”. Mit Verfügung vom 15.1.1987 stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg dieses Verfahren mangels öffentlichen Interesses ein und verwies den Kläger auf den weg der Privatklage.
Unter dem 15.1.1987 erhob der Beklagte seinerseits vor dem Landgericht Itzehoe Klage auf Feststellung, daß er berechtigt sei, dem Kläger den Pflichtteil zu entziehen, weil dieser die ihn treffende Unterhaltspflicht böswillig verletzt und versucht habe, ihn zu erpressen. Der Kläger erkannte den Anspruch im schriftlichen Vorverfahren an. Mit Urteil vom 5.3.1987 (6 O 25/87) entsprach das Landgericht Itzehoe gem. § 307 Abs. 2 ZPO dem Feststellungsantrag.
Bereits am 29.11.1985 hatte der Kläger seiner Ehefrau mit notariellem Überlassungsvertrag „zur Abgeltung sämtlicher Zugewinnansprüche bis zum 31.12.1985” eine ideelle Miteigentumshälfte seines von den Eheleuten bewohnten Grundstückes übertragen. Mit notariellem Vertrag vom 28.10.1986 verkaufte der Kläger seiner Ehefrau auch den verbliebenen Eigentumsanteil und ließ ihn ihr auf.
Der Kläger hat vorgetragen, ein Vater-Sohn-Verhältnis bestehe schon seit langem nicht mehr. Er betrachte den Beklagten nur als Abkömmling und sei auch nicht bereit, eine Änderung herbeizuführen. Er sei von der Schwester des Beklagten darüber unterrichtet worden, daß der Beklagte sich de...