Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertrag mit einem Geschäftspartner, der auf der Specially Designated Nationals and Blocked Person List des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control gelistet ist, kann grundsätzlich ohne Angabe von Gründen ordentlich gekündigt werden.
2. Deuten aber alle Beweismittel, über die das Gericht verfügt, auf den ersten Blick darauf hin, dass die Kündigung subjektiv darauf ausgerichtet ist, einer der im Anhang der VO [EG] Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 (EU-Blocking-VO) aufgeführten Sanktionsnormen zu genügen, ist die Kündigung wegen eines Verstoßes gegen Art. 5 der EU-Blocking-VO auch dann gemäß § 134 BGB nichtig, wenn in objektiver Hinsicht nicht gegen eine der Sanktionsnormen verstoßen wurde.
3. Die Nichtigkeit einer solchen Kündigung ist keine unverhältnismäßige Folge des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 der Verordnung, wenn der Kündigende vor Ausspruch der Kündigung keine Ausnahmegenehmigung nach Art. 5 Abs. 2 der EU-Blocking-Verordnung bei der Kommission beantragt hat und nicht bereits durch die in dem Genehmigungsverfahren zwingend zu erwartenden Verzögerungen und im Hinblick darauf, dass der Antrag keine aufschiebende Wirkung hätte, wirtschaftlichen Verlusten in einem nicht hinnehmbaren Ausmaß ausgesetzt gewesen wäre.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. Mai 2019, Az. 319 O 289/18, wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Verträge zu den Kundennummern 1450013330 und 1350012242, betreffend die Produkte Business Call Advance (Vertragsnummer BCA100106171), Deutschland LAN SIP Trunk (Rufnummer: 040/36000-0), Deutschland LAN IP Voice/Data S (Rufnummer: 040/37519739), Deutschland LAN IP Start Premium (Rufnummer: 040/869898), Deutschland LAN IP Start (Rufnummer: 040/25313187), Deutschland LAN Connect L 10M (Vertragsnummer 300007), Deutschland LAN Connect L 2,5 M (Vertragsnummer 300008), EthernetConnect 1 G (Vertragsnummer 300009), T-Net (Rufnummer: 069/13376568) und T-Net (Rufnummer: 069/91395048) sowie den zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Vertrag zu der Kundennummer 1450013330, betreffend das Produkt Business Call Standard As (Rufnummer: 040/2279698) zu erfüllen, indem die den jeweiligen Verträgen bzw. Produkten zu Grunde liegenden Leitungen freigeschaltet bleiben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 Euro und bezüglich der Kosten in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung der Hauptsache Sicherheit in Höhe von 50.000,00 Euro und bezüglich der Kosten in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
II. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 84.000,00 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die aktuelle und künftige Erfüllung verschiedener Verträge über Telekommunikationsleistungen. Die Beklagte beruft sich auf die ordentliche Kündigung dieser Verträge.
Die Klägerin ist eine iranische Bank, errichtet nach iranischem Recht, und unterhält in Deutschland eine Zweigniederlassung mit Sitz in Hamburg, in der 36 Mitarbeiter beschäftigt sind. Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Abwicklung des Außenhandels mit dem Iran.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG und eines der größten deutschen Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Bonn. Der Konzern beschäftigt weltweit mehr als 270.000 Mitarbeiter, mehr als 50.000 davon in den USA, wo nach dem Vortrag der Beklagten 2021 ca. 62 Prozent des Konzernumsatzes gemacht worden sein sollen.
Zwischen den Parteien besteht ein (Rahmen-) Vertragsverhältnis, bezeichnet als Business Call Advance, zur Nummer BCA100106171. Dieses gestattet der Klägerin, alle Anschlüsse ihres Unternehmens bzw. eines Unternehmens, das demselben Unternehmensverbund angehört, an verschiedenen Standorten in Deutschland in einem Vertrag über Business Call Advance zusammenzufassen. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses hat die Klägerin zu den Kundennummern 1450013330 und 1350012242 mehrere Produkte bei der Beklagten beauftragt, welche die Beklagte sodann auch bereit und in Rechnung gestellt hat. Zu den Produktdetails wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort zitieren Anlagen Bezug genommen.
Die streitgegenständlichen Verträge bilden die ausschließliche Grundlage der internen und externen Kommunikationsstrukturen der Klägerin in Deutschland. Ohne die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen ist es der Klägerin - jedenfalls derzeit - nicht möglich, mittels ihrer deutschen Niederlassung am Geschäftsverkehr teilzunehmen.
Die mit der Klägerin erzielten mon...