Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen 312 O 80/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Az. 312 O 80/20, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.02.2022, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.002,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 17.03.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem Unterlassungsvertrag vom 16.12.2019/17.12.2019 (Anlagen K 5 und K 6).
Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Online-Zeitschriften (Anlage K 1). Sie ist u.a. auch im Anzeigengeschäft tätig und bietet in ihren Zeitschriften Slots für Werbung gegen Entgelt an. Zudem betreibt sie unter dem Namen "h..." ein Nutzerprofil auf der Internetplattform Instagram (Anlage K 2) und bietet ihren Kunden an, dort ebenfalls Werbung zu platzieren. Ihr Angebot gilt auch für überregionale Werbekunden.
Die Beklagte ist Model und Influencerin. Sie betreibt auf der Plattform Instagram das Nutzerprofil "e..." und hat (weltweit) ca. 500.000 Follower (vgl. Anlage K 3, Screenshot vom 14.02.2020). Die Beklagte stellt zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von den fraglichen Unternehmen vergütet wird. Zum anderen veröffentlicht sie Posts, für die sie von Unternehmen nicht beauftragt ist und für die sie keine finanziellen Gegenleistungen erhält.
Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2019 (Anlage K 4) ließ die Klägerin die Beklagte wegen "verdeckter Werbung" auf deren Instagram-Account abmahnen und machte Verstöße gegen § 5a Abs. 6 UWG a.F. geltend. Die Klägerin beanstandete eine unzureichende bzw. fehlende Werbekennzeichnung dadurch, dass die Beklagte zahlreiche Bilder überwiegend von sich selbst poste und diese mit Instagram-Accounts der Anbieter der jeweils in den Posts erwähnten Produkte/Dienstleistungen verlinke, ohne diese Posts an irgendeiner Stelle ausreichend als Werbung kenntlich zu machen. Der Abmahnung waren konkrete Verletzungsformen im Anlagenkonvolut beigefügt worden (vgl. Anlagenkonvolut K 4).
Am 16.12.2019 gab die Beklagte über ihren damaligen Rechtsanwalt eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (Anlage K 5), mit der sich die Beklagte gegenüber der Klägerin bei Meidung einer Vertragsstrafe, deren Höhe im Einzelfall von der Klägerin festzusetzen und ggf. vom Landgericht Hamburg zu überprüfen ist, verpflichtete, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter Abbildung einer Person oder einem Bezug zu einer Person im Internet kommerzielle Inhalte, insbesondere Waren und/oder Dienstleistungen, vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Werbung kenntlich zu machen, sofern sich der kommerzielle Zweck nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, jeweils wenn dies geschieht wie aus dem Anlagenkonvolut ersichtlich, der den Instagram-Account "e..." von E. C. zeigt (Ziff. I. der Unterlassungsverpflichtungserklärung Anlage K 5).
Die Klägerin nahm diese Unterlassungsverpflichtungserklärung mit Schreiben vom 17.12.2019 hinsichtlich Ziff. I. an (Anlage K 6). Die Parteien einigten sich in der Folge auf Abmahnkosten in Gesamthöhe von 2.150,- EUR (brutto). Die Beklagte bezahlte noch im Dezember 2019 insgesamt 2.150,- EUR Anwaltskosten für die Abmahnung an die Anwälte der Klägerin (vgl. handschriftliche Notiz auf Anlage K 6).
Mit Anwaltsschreiben vom 07.01.2020 (Anlage K 7) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen behaupteter insgesamt 16 Vertragsverletzungen i.H.v. insgesamt 80.016,- EUR auf. Die Klägerin rügte Beiträge der Beklagten in deren "Instagram Story" vom 02.01., 04.01., 05.01. und 06.01.2020 für "The Vegan Bundle", dem Angebot eines Bündel von E-Books "FOR JUST 50EUR INSTEAD OF 1.300EUR", durch sog. "Swipe-Up"-Verlinkungen, das Bereitstellen einer Verlinkung zur Seite http://theveganbundle.com in der "Instagram Bio" der Beklagten (Steckbrief unterhalb des Accountnamens und des Profilfotos) und die Bewerbung mit dem Slogan "Get 60 ebooks for 50$ Jan 1st - 9th ONLY" (vgl. Anlagenkonvolut 1 zur Anlage K 7). Daneben beanstandete die Klägerin, dass die Beklagte weiterhin zahlreiche werbliche Beiträge aus dem Zeitraum März 2018 bis Oktober 2019 auf ihren Instagram-Kanal bereithalte, ohne diese als Werbung zu kennzeichnen (vgl. Anlagenkonvolut 2 zur Anlage K 7).
In Reaktion hierauf ließ die Beklagte mit Schreiben vom 16.01.2020 (Anlage K 8) die geschlossene Vereinbarung nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten und machte geltend, die Klägerin habe über ihre Mitbewerbereigenschaft und ihre wirkliche Motivlage getäuscht, die Klägerin verfolge mit ihrer Abmahnung vorrangig sa...