Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 328 O 87/15) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.09.2016, Az. 328 O 87/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin), das aufgrund eines Gläubigerantrags vom 30.11.2012 durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 07.05.2013 eröffnet wurde (Anlage K1).
Der Kläger nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemäß § 64 S. 1 GmbHG auf Ersatz von EUR 323.434,50 nebst Zinsen wegen Zahlungen in Anspruch, die im Zeitraum vom 11.02.2010 bis 20.05.2010 aus der Kasse bzw. von Konten der Insolvenzschuldnerin veranlasst wurden. Wegen der Einzelheiten der Zahlungsdaten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, dort Seiten 4 bis 9 nebst Anlage K2 Bezug genommen.
Der Beklagte war seit der Gründung der Insolvenzschuldnerin am 20.04.2009 ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war der Import und Export von Waren aller Art. Die Insolvenzschuldnerin unterhielt eine Kasse für Bargeld sowie Geschäftskonten bei der Commerzbank AG, der Postbank AG sowie der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG.
Im Juli 2009 nahm die Insolvenzschuldnerin bei Herrn S. N. (Moskau/Russland) ein Darlehen in Höhe von EUR 130.000,00 auf. Im September 2009 erhielt die Insolvenzschuldnerin zwei Darlehen in Höhe von jeweils USD 500.000,00 des russischen Unternehmens P.
(Klageerwiderung, Seite 3).
Am 15.09.2009 wurde auf dem seinerzeit bei der Dresdner Bank AG in USD geführten Fremdwährungskonto der Insolvenzschuldnerin eine Gutschrift in Höhe von USD 500.000,00 (Gegenwert: EUR 348.845,32) aus einer Überweisung der P. (Moskau/Russland) verbucht. Am 25.09.2009 folgte eine zweite Gutschrift in Höhe von USD 500.000,00 (Gegenwert: EUR 340.136,05) aus einer weiteren Überweisung der P. (Moskau/Russland). Im Jahresabschluss 2009 der Insolvenzschuldnerin vom 24.01.2012 wurden das Darlehen in Höhe von EUR 130.000,00 und die Summe der Gegenwerte beider USD-Darlehen in Höhe von EUR 688.981,37 als Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin ausgewiesen. Ob diese Darlehen als Scheingeschäfte zu würdigen und daher nicht zu bilanzieren sind, ist streitig. Der Beklagte erstellte zum 31.12.2009 eine schriftliche Fortbestehensprognose der Insolvenzschuldnerin nicht.
Der Klage der P. gegen die Insolvenzschuldnerin und den Beklagten auf Rückzahlung des o.g. Darlehen wurde durch Urteil vom 29.12.2010 (Landgericht Hamburg, 319 O 20/10) stattgegeben. Im Berufungsverfahren (HansOLG Hamburg, 13 U 30/11) wurde sodann mit dem Teilurteil vom 18.11.2015 (Anlage B19) nur die Klage gegen den Beklagten persönlich abgewiesen, weil eine Haftung des Beklagten gegenüber den Darlehensgebern nicht in Betracht kommt.
Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei am 31.12.2009 überschuldet gewesen (Überschuldungsbilanz per 31.12.2009, Anlage K11) und diese Überschuldung habe zur Zeit der streitgegenständlichen Zahlungen vom 11.02.2010 bis 20.05.2010 fortbestanden.
Eine positive Fortführungsprognose habe nicht bestanden, weil auch im Folgejahr 2010 unstreitig ein Jahresfehlbetrag von EUR 207.362,57 erzielt wurde (Jahresabschluss 31.12.2010, Anlage K7).
Der Beklagte habe gegen seine Verpflichtung zur Prüfung einer Überschuldung und seine Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 S. 1 InsO verstoßen. Die Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen sei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar. Die Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstkontrolle sei mindestens fahrlässig erfolgt.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 323.434,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, die Überschuldungsbilanz der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 (Anlage K11) sei unrichtig, weil sie Verbindlichkeiten i.H.v. EUR 130.000,00 und EUR 688.981,37 enthalte, die tatsächlich nicht bestünden, weil die bilanzierten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von USD 1 Mio und EUR 130.000,00 auf Scheingeschäften beruhten. Die Darlehensverträge der Insolvenzschuldnerin mit beiden Darlehensgebern seien als Scheingeschäfte zu würdigen, weil die unstreitig dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin am 15.09.2009 und 25.09.2009 in Höhe von jeweils USD 500.000,00 gutgeschriebene Darlehensvaluta durch zwei Zahlungen einer Prokuristin der Insolve...