Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Überschuldungsbilanz darf eine bestrittene Forderung, die gerichtlich durchgesetzt werden muss, nach dem Gebot einer vorsichtigen Bewertung nicht aktiviert werden.
2. Unter den Begriff der "Zahlungen" im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG fällt grundsätzlich auch die Zahlung der Umsatzsteuer; die bloße Aussicht auf eine mögliche Erstattung durch das Finanzamt stellt dabei keine privilegierte Gegenleistung nach § 64 Satz 2 GmbHG dar.
Normenkette
GmbHG § 64 Sätze 1-2
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 17. Januar 2017, Geschäfts-Nr. 411 HKO 112/15, wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Ergänzend hierzu wird festgestellt:
Der Kläger ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 18. September 2012 (Anlage K 1) Insolvenzverwalter über das Vermögen der P- GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten auf die Erstattung von Zahlungen in Anspruch, die seitens der Schuldnerin nach dem Eintritt der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin geleistet worden sind.
Der Beklagte ist seit Gründung der über ein Stammkapital von EUR 25.000,00 verfügenden Schuldnerin deren alleiniger Geschäftsführer. Geschäftsgegenstand der Schuldnerin, deren alleinige Gesellschafterin die Ehefrau des Beklagten ist, war die Erbringung von Dienstleistungen und Beratungsleistungen für Call-Center einschließlich der Schulung von Call-Center-Mitarbeitern.
Der am 18. Januar 2012 aufgestellte Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31. Dezember 2010 (Anlage K 4) weist ein handelsbilanzielles Eigenkapital der Schuldnerin in Höhe von noch EUR 23.498,34 aus. Ausweislich dieser Bilanz und der zugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung erwirtschaftete die Schuldnerin im Jahr 2010 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von EUR 20.910,96. Ausweislich der am 4. Januar 2012 erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertung der Schuldnerin für Dezember 2011 (Anlage K 5) erwirtschaftete die Schuldnerin in diesem Geschäftsjahr einen weiteren Fehlbetrag in Höhe von EUR 118.043,88.
Im Zeitraum vom 2. Januar bis zum 30. Juni 2012 leistete die Schuldnerin von dem von ihr durchgehend im Guthaben geführten Geschäftskonto bei der Commerzbank AG insgesamt Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 239.278,20, wobei diese Zahlungen im Umfang von EUR 35.091,04 auf Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung entfielen.
Seit Februar 2012 verzichteten der Beklagte und seine bei der Schuldnerin beschäftigte Ehefrau auf die laufenden Gehaltszahlungen in monatlicher Höhe von zusammen EUR 5.000,00. Am 10. Juli 2012 stellte der Beklagte für die Schuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anlage K 3), den er mit der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin begründete. Diesem Insolvenzantrag war unter anderem die betriebswirtschaftliche Auswertung der Schuldnerin für Dezember 2011 (Anlagen K 5, K 14 und K 17) beigefügt. Im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung war der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bereits zum Erliegen gekommen, es gab weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge.
In einem Rechtsstreit der Schuldnerin gegen die V. erging zu Gunsten der Schuldnerin am 13. August 2012 eine Verurteilung in Höhe eines Teilbetrags von EUR 20.706,00 (Anlage B 2). Die Klage der Schuldnerin wurde nach zwischenzeitlicher Aufnahme des Rechtsstreits durch den Kläger allerdings im Berufungsrechtszug mit Urteil vom 14. August 2015 (Anlage K 12) abgewiesen.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 (Anlage K 6) forderte der Kläger den Beklagten im Hinblick auf die bereits zum Jahresende 2011 eingetretene Überschuldung der Schuldnerin im Umfang von EUR 204.187,16 zur Erstattung der in der Zeit von Januar bis Juni 2012 seitens der Schuldnerin geleisteten Zahlungen auf. Mit Schreiben vom 8. April 2015 übersandte der Beklagte dem Kläger daraufhin einen korrigierten Jahresabschluss der Schuldnerin für 2010 (Anlage K 7), der nunmehr ein handelsbilanzielles Eigenkapital in Höhe von EUR 58.678,34 und einen Jahresüberschuss in Höhe von EUR 14.269,04 auswies. Ferner übersandte der Beklagte dem Kläger einen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 (Anlage K 8), der bei einem Jahresfehlbetrag in Höhe von EUR 17.410,36 ein handelsbilanzielles Eigenkapital der Schuldnerin in Höhe von noch EUR 41.267,98 auswies.
Der Kläger hat daraufhin am 16. De...