Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 06.08.1998; Aktenzeichen 332 O 142/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 32, vom 6. August 1998 abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Schadensereignis vom 23. Juni 1997 Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Beklagten wird auf 40.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für das Schadensereignis vom 23. Juni 1997 Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren, obwohl diese zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die erste Prämie noch nicht gezahlt hatte. § 38 Abs. 2 VVG, der für einen solchen Fall die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsieht, ist durch Ziffer 2 der dem Versicherungsvertrag der Parteien zugrundeliegenden Bestimmungen der Beklagten zu Gunsten der Klägerin (vgl. § 42 VVG) abbedungen. Bei dieser Klausel handelt es sich um eine sogenannte erweiterte Einlösungsklausel, wonach rückwirkend Versicherungsschutz gewährt wird, wenn die Erstprämie rechtzeitig gezahlt wird (vgl. Römer-Langheid, § 38 VVG Rnr. 17). „Rechtzeitig” ist nach Ziffer 2 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen der Beklagten, wenn der Versicherungsnehmer die Einlösungsprämie unverzüglich nach Fälligkeit zahlt und mit der Zahlung nicht in Verzug ist.
Die Klägerin hat die Prämie zwar unstreitig nicht innerhalb der für „unverzüglich” allgemein angenommenen Obergrenze von 2 Wochen gezahlt. Soweit sie sich darauf beruft, daß ihr insoweit ein Verschulden nicht vorzuwerfen ist, kann dies aber dahinstehen. Denn die Beklagte hat als weitere Voraussetzung dafür, daß ein rückwirkender Versicherungsschutz nicht eintritt, in die Klausel aufgenommen, daß der Versicherungsnehmer mit der Zahlung in Verzug ist. Diese Voraussetzung für die Leistungsfreiheit der Beklagten ist hier nicht gegeben.
Der vom Landgericht geteilten Auffassung der Beklagten, die in der Klausel enthaltenen Worte, „mit der Zahlung in Verzug” enthielten keine Verweisung auf die Voraussetzungen der §§ 284 ff. BGB, folgt der Senat nicht. Zwar hat der Bundesgerichtshof (NJW 1963, 1054) für die Bestimmung des § 3 I. Abs. 3 Satz 2 AHB den dort verwendeten Begr ff „ohne Verzug” mit „ohne schuldhaftes Zögern” gleichgesetzt. Dies kann jedoch auf die von der Beklagten verwendete Bestimmung nicht übertragen werden, denn die genannte Klausel in § 3 AHB gilt – anders als hier – nur für den Fall, daß die Einlösungsprämie vom Versicherer mit einem gesonderten Einforderungsschreiben geltend gemacht wird. Im übrigen hätte, wenn in der Bestimmung der Beklagten „im Verzug” als „mit schuldhaftem Zögern” verstanden würde, der diesbezügliche Halbsatz in der Klausel keine eigenständige Bedeutung, sondern wäre tautologisch. Die Bestimmung wäre dann nämlich wie folgt zu lesen: „wenn dieser (Beitrag) nicht ohne schuldhaftes Zögern nach Fälligkeit gezahlt wird und Sie die Zahlung schuldhaft verzögern, …”. Bei diesem Verständnis wäre der zweite Halbsatz ersichtlich ohne Sinn Daß der zweite Halbsatz eine eigenständige Bedeutung habe, weil er das Erfordernis der unverzüglichen Zahlung verstärke und klarstelle, daß eine ohne Verschulden nicht erfolgte unverzügliche Zahlung nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen solle, überzeugt schon deshalb nicht, weil eine unverzügliche Zahlung bereits begrifflich mangelndes Verschulden voraussetzt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Klausel daher bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (vgl. BGHZ 123, 83) in Übereinstimmung mit ihrem Wortlaut nur dahin verstehen, daß der rückwirkende Versicherungsschutz erst dann entfällt, wenn er von der Beklagten zusätzlich in Verzug gesetzt worden ist. Eines Rückgriffs auf die Unklarheitenregel des § 5 AGBG bedarf es daher nicht.
Für die – von der Beklagten angeregte – Zulassung der Revision bestand kein Anlaß: Eine Abweichung zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1963, 1064 ist aus den zuvor genannten Gründen nicht gegeben; die hier streitige Auslegung der Klausel der Beklagten hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Karnowski, Morisse, Bremer
Fundstellen
Haufe-Index 1386243 |
VersR 1999, 1353 |