Leitsatz
Bei Vereinbarung der so genannten erweiterten Einlösungsklausel, wonach abweichend von § 38 Abs. 2 VVG rückwirkend Versicherungsschutz gewährt wird, wenn die Erstprämie rechtzeitig gezahlt wird, muss für eine Leistungsfreiheit des Versicherers Zahlungsverzug der Erstprämie nach den Voraussetzungen der § 284 ff. BGB vorliegen.
Normenkette
§ 38 Abs. 2 VVG
Sachverhalt
Die Kl. begehrte aus einer bei der Bekl. abgeschlossenen Haftpflichtversicherung Deckungsschutz. Die Bekl. wendete Leistungsfreiheit wegen nicht gezahlter Erstprämie ein.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.
Entscheidung
Wie das OLG ausführte, sei die Bekl. verpflichtet, der Kl. für das betreffende Schadenereignis Haftpflichtversicherungsschutz zu gewähren, obwohl diese zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die erste Prämie nicht gezahlt gehabt habe. § 38 Abs. 2 VVG, der für einen solchen Fall die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsehe, sei durch Nr. 2 der dem Versicherungsvertrag der Parteien zugrunde liegenden Bestimmungen der Bekl. zugunsten der Kl. abbedungen. Bei dieser Klausel handele es sich um eine so genannte erweiterte Einlösungsklausel, wonach rückwirkend Versicherungsschutz gewährt wird, wenn die Erstprämie rechtzeitig gezahlt wird. "Rechtzeitig" sei nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen der Bekl., wenn der VN die Einlösungsprämie unverzüglich nach Fälligkeit zahle und mit der Zahlung nicht in Verzug sei.
Die Kl. habe die Prämie zwar unstreitig nicht innerhalb der für "unverzüglich" allgemein angenommenen Obergrenze von zwei Wochen gezahlt. Soweit sie sich darauf berufe, dass ihr insoweit ein Verschulden nicht vorzuwerfen sei, könne dies aber dahinstehen. Denn die Bekl. habe als weitere Voraussetzung dafür, dass rückwirkender Versicherungsschutz nicht eintrete, in die Klausel aufgenommen, dass der VN mit der Zahlung in Verzug ist. Diese Voraussetzung für die Leistungsfreiheit der Bekl. sei hier nicht gegeben.
Der vom LG geteilten Auffassung der Bekl., die in der Klausel enthaltenen Worte "mit der Zahlung in Verzug" enthielten keine Verweisung auf die Voraussetzungen der § 284 ff. BGB, folge der Senat nicht. Zwar habe der BGH (VersR 63, 376 = NJW 63, 1054) für die Bestimmung des § 3 I Abs. 3 S. 2 AHB den dort verwendeten Begriff "ohne Verzug" mit "ohne schuldhaftes Zögern" gleichgesetzt. Dies könne jedoch auf die von der Bekl. verwendete Bestimmung nicht übertragen werden, denn die genannte Klausel in § 3 AHB gelte - anders als hier - nur für den Fall, dass die Einlösungsprämie vom Versicherer mit einem gesonderten Einforderungsschreiben geltend gemacht werde. Im Übrigen würde, wenn in der Bestimmung der Bekl. "in Verzug" als "mit schuldhaftem Zögern" verstanden wäre, der diesbezügliche Halbsatz in der Klausel keine eigenständige Bedeutung haben, sondern wäre tautologisch. Die Bestimmung würde dann nämlich wie folgt zu lesen sein "… wenn dieser [Beitrag] nicht ohne schuldhaftes Zögern nach Fälligkeit gezahlt wird und Sie die Zahlung schuldhaft verzögern …". Bei diesem Verständnis wäre der zweite Halbsatz ersichtlich ohne Sinn.
Dass der zweite Halbsatz eine eigenständige Bedeutung habe, weil er das Erfordernis der unverzüglichen Zahlung verstärke und klarstelle, dass eine ohne Verschulden nicht erfolgte unverzügliche Zahlung nicht zu Lasten des VN gehen solle, überzeuge - so das OLG - schon deshalb nicht, weil eine unverzügliche Zahlung bereits begrifflich mangelndes Verschulden voraussetze. Ein durchschnittlicher VN werde die Klausel daher bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (vgl. BGH Z 123, 83 = VersR 93, 957) in Übereinstimmung mit ihrem Wortlaut nur dahin verstehen, dass der rückwirkende Versicherungsschutz erst dann entfalle, wenn er von der Bekl. zusätzlich in Verzug gesetzt worden sei. Eines Rückgriffs auf die Unklarheitenregel des § 5 AGBG bedürfe es daher nicht.
Link zur Entscheidung
OLG Hamburg, Urteil vom 23.12.1998, 5 U 182/98