Entscheidungsstichwort (Thema)

Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens durch Baugenehmigungsbehörde bei Bauvorbescheidsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bediensteten einer Baugenehmigungsbehörde verletzen schuldhaft ihre Amtspflichten, wenn sie die Erteilung eines positiven Vorbescheides über Gebühr hinauszögern, um eine Änderung des Bebauungsplanes zu ermöglichen, welche die Unzulässigkeit der beantragten Grundstücksnutzung zur Folge hat.

2. Die Regelung des § 71 Abs. 1 S. 3 HBauO, wonach ein Bauvorbescheid unwirksam wird, sobald für das Grundstück eine Veränderungssperre in Kraft getreten oder ein Bebauungsplan öffentlich ausgelegt oder eine öffentliche Auslegung festgestellt worden ist, gibt der Baugenehmigungsbehörde bei Vorliegen eines positiven Vorbescheids nicht das Recht, den Bauantrag gem. § 15 BauGB zurückzustellen.

3. Die Behörde kann ihrer Schadensersatzverpflichtung nicht mit dem Einwand begegnen, sie hätte die Möglichkeit gehabt, eine Veränderungssperre so rechtzeitig in Kraft zu setzen, dass der Vorbescheid vor Erteilung der Baugenehmigung gem. § 71 Abs. 1 S. 3 HBauO wirkungslos geworden wäre. Der Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens kann nicht dazu führen, dass die nicht rechtzeitig geschaffene Rechtsgrundlage für das Unwirksamwerden des Bauvorbescheids, nämlich die Veränderungssperre, als zu einem früheren Zeitpunkt erlassen anzusehen ist.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; BauGB § 15; HBauO § 71 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 02.03.2001; Aktenzeichen 303 O 323/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 3, vom 2.3.2001 abgeändert:

Der mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt wegen fehlerhafter Bearbeitung eines Bauvorbescheidsantrages von der Beklagten Schadensersatz.

Die Klägern ist eine Grundbesitz- und Baugesellschaft, die Geschäftshäuser errichtet und vermietet. Am 5.2.1998 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides für den Neubau eines eingeschossigen Verkaufs- und Lagergebäudes auf dem Grundstück W.-straße 64 (Anl. K 1). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin in Kaufverhandlungen mit den Voreigentümern des Grundstücks. Dieses Flurstück 1182 war im Durchführungsplan 408 vom 28.10.1960 auf der Grundlage der Baupolizeiverordnung für die Hansestadt Hamburg v. 8.6.1938 (BPVO) als Geschäftsgebiet ausgewiesen, in dem gewerbliche Betriebe sowie Einzelhandelsbetriebe in geschlossener Bauweise mit zwei Vollgeschossen zulässig waren (vgl. § 19 Abs. 4 BPVO und Anl. K 7). Gegenstand des Vorbescheidsantrages waren zwei selbständige, voneinander unabhängige Nutzungseinheiten. Im westlichen Teil des Gebäudes sollte eine Einzelhandelsfläche mit einer Größe von 850 qm mit dazugehörigen Nebenräumen entstehen; im östlichen Teil war die Errichtung eines Lagergebäudes vorgesehen, in dem einzelne Mieter Lager- und Einstellflächen anmieten sollten. In der dem Antrag beigefügten Zeichnung waren die Vorhaben mit den Eintragungen "Einzelhandelsverkaufsfläche 850 qm", Nebenräume 450 qm" und "in Einzelmietungen aufteilbare Lagerflächen 900 qm" gekennzeichnet. Die Baukörper überschritten die im Durchführungsplan enthaltenen Baulinien im Norden um ca. 4 m und im Osten um ca. 8 m, während nach Süden eine ungenutzte Fläche verblieb.

Der bei der Beklagte am 6.2.1998 eingegangene Vorbescheidsantrag wurde am 4.3.1998 in deren Bauprüfabteilung und am 12.3.1998 in deren Baukommission geprüft. Letztere hatte Bedenken wegen der Überschreitung der Baulinien (Anl. B 4). Zudem bestanden Vorbehalte gegen die Ansiedlung größerer Einzelhandelsflächen an der vorgesehenen Stelle, da Ladenflächen an anderer Stelle des B-Plans ausgewiesen waren. Aufgrund der Verfügung "Bauprüfdienst 8/1997" (Anl. B 2) wurde die Beteiligung des von der Stadtentwicklungsbehörde (STEB) eingerichteten behördenübergreifenden Arbeitskreises "Zentren" veranlasst. Diesem kam insb. die Aufgabe zu, großflächige Einzelhandelsvorhaben auf ihre Zentrenverträglichkeit zu prüfen und eine mit dem hamburgischen Zentrenkonzept verträgliche Ansiedlung derselben sicherzustellen (Anl. B 2). Dieser Bauprüfdienst "großflächiger Einzelhandel" diente der rechtzeitigen Information der STEB über große Einzelhandelsvorhaben der Stadt, um ggf. planerische Gegensteuerungsmaßnahmen an nicht integrierten Standorten ergreifen zu können. Die Beteiligung des Arbeitskreises "Zentren" war danach vorgesehen bei Bau(vorbescheids)anträgen zu großflächigen Einzelhandelseinrichtungen mit mehr als 1.200 qm Bruttogeschossfläche und solchen unter dieser Größe, bei denen mit nicht unwesentlichen landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu rechnen war.

Die Abgabe an die Stadtplanungsabteilung und die Einschaltung des Arbeitskreises wurden dem Mitarbeiter der Klägerin H. in einem Gespräch am 24.3.1998 von Vertretern der Bauprüf- und Planungsabteilung des Bezirksamts W...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge