Entscheidungsstichwort (Thema)
GmbH in der Insolvenz: Schlüssige Feststellung des Überschuldungsstatus durch den Insolvenzverwalter und sorgfaltsgemäße Zahlungen des Geschäftsführers im Rahmen von Sanierungsbemühungen innerhalb von vier Wochen nach Insolvenzreife
Normenkette
GmbHG § 64 Abs. 2; InsO § 19 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 10.03.2006; Aktenzeichen 420 O 116/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg vom 10.3.2006, Kammer 20 für Handelssachen, 420 O 116/05, dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 105.179,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 8.12.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die geleisteten Zahlungen begünstigten Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Insolvenzmasse gegen den Kläger zu verfolgen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 4/5 und dem Beklagten zu 1/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG Bezug genommen und zu den Tatsachengrundlagen dieses Berufungsurteils sowie zu den Gründen für die Abänderung des landgerichtlichen Urteil folgendes ausgeführt:
I. Der Kläger nimmt den Beklagten gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in Anspruch.
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Beklagten vom 5.7.2004 am 1.10.2004 über das Vermögen der L..-... Automobile ... eröffnet worden. In der Zeit vom 1.6. bis 8.7.2004 erfolgten Zahlungen im Umfang von 1.305 851,79 EUR. Im Wege der Teilklage verlangt der Kläger Erstattung der Zahlungen für die Zeit vom 22.6. bis 8.7.2004 im Umfang von 518.267,70 EUR mit der Begründung, die Insolvenzschuldnerin sei bereits seit dem 1.6.2004 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen.
Die Insolvenzschuldnerin war Vertragshändlerin der Autohersteller D. -C. und M. Sie unterhielt Betriebsstätten in Sch. und A.. Wegen der Lieferungen von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen sowie Jahreswagen ging die Insolvenzschuldnerin bei der D. -C. Bank AG, der M.. Bank GmbH und der C. Bank AG Kreditverbindlichkeiten ein. Mit der D. -C. Bank AG schloss sie einen Rahmenvertrag zur Händlerfinanzierung von Kraftfahrzeugen, in welchem ihr ein Kreditrahmen eingeräumt wurde. Mit Zahlung des Kaufpreises durch die Bank an D. -C. ging das Eigentum am gelieferten Fahrzeug auf die Bank über. Die gegen den Fahrzeugerwerber begründete Kaufpreisforderung trat die Insolvenzschuldnerin zur Sicherheit an die Bank ab (Anlage B 13). Aus den Fahrzeuglieferungen resultierten Bankverbindlichkeiten von mindestens 3.953 855,92 EUR.
Der Kläger forderte den Beklagten zur Erstattung der geleisteten Zahlungen mit Schreiben vom 25.11.2004 auf.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Insolvenzschuldnerin sei jedenfalls seit dem 1.6.2004 durchgehend überschuldet.
Im Laufe der ersten Instanz hat er drei Überschuldungsstatus (Anlagen K1, K2, K5) vorgelegt. In dem zuletzt vorgelegten (Anlage K5) erscheinen auf der Aktivseite folgende Positionen:
Werkzeuge/Maschinen |
T EUR 11 |
Betriebs- und Geschäftsausstattung |
T EUR 4 |
Fahrzeuge |
T EUR 4.125 |
Forderungen aus Lieferung/Leistung |
T EUR 364 |
Geldbetrag |
T EUR 103 |
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T EUR 4.607 |
Hierzu hat der Kläger erstinstanzlich vorgetragen:
Der Überschuldungsstatus sei unter Liquidationsgesichtspunkten zu erstellen, da eine positive Fortführungsprognose zu keiner Zeit bestanden habe. Insbesondere habe der Beklagte zu keiner Zeit ein aussagekräftiges Unternehmenskonzept und einen darauf aufbauenden mittelfristigen Ertrags- und Finanzplan erstellt. Die ersten beiden Positionen in dem Liquiditätsstatus fielen deshalb so niedrig aus, weil die Insolvenzschuldnerin ihre Betriebsausstattung überwiegend geleast oder gemietet habe. Die Summe der Anschaffungspreise des noch im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Anlagevermögens (s. Aufzählung im Schriftsatz vom 17.2.2006, S. 9: Bl 165 d.A.) ergebe 33.487 EUR. Für diese Gegenstände sei ein Verwertungserlös i.H.v. 7.288,95 EUR zu erzielen. Entgegenkommenderweise habe der Kläger für beide Positionen T EUR 15 in Ansatz gebracht.
Hinsichtlich der Position "Fahrzeuge" hat der Kläger vorgetragen, die Insolvenzschuldnerin sei nur Eigentümerin eines Golf III im Wert von T EUR 3.84 an ...