Leitsatz (amtlich)

1. Maßgebliche Teile der von einer Arzneimittelwerbung angesprochenen Ärzte verstehen den Begriff der "kausalen Therapie" im Sinne einer Therapie zur Beseitigung einer Krankheitsursache, weshalb eine Werbung mit einer Kausaltherapie für ein Arzneimittel, dass die Krankheitsursache nicht beseitigen kann, irreführend ist.

2. Stehen innerhalb einer Werbung zwei werbliche Angaben zu den Eigenschaften eines Arzneimittels (hier: "einzige kausale Therapie" und "Dauersubstitution") in ihrem Aussagegehalt im Widerspruch, dann kann der Irreführungsgehalt der einen Angabe durch die weitere Angabe nicht beseitigt werden.

3. Nimmt der Gläubiger eine Unterlassungsverpflichtungserklärung an, die hinter dem ursprünglich Verlangten zurückbleibt, dann liegt in dem Abschluss des so zustande gekommenen Unterlassungsvertrages in der Regel ein Verzicht auf einen möglichen weitergehenden Anspruch. Die Geltendmachung des weitergehenden Anspruchs ist dem Gläubiger dann grundsätzlich verwehrt (Bestätigung von OLG Hamburg, NJOZ 2004, 1637, 1642).

4. Das gilt jedoch nur im Hinblick auf die jeweils mit der Abmahnung geltend gemachten einzelnen Streitgegenstände in deren Rahmen nachfolgend eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben worden ist. Bleibt die vom Schuldner abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung nur wegen einzelner Streitgegenstände hinter dem dazu vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchsumfang zurück und nimmt der Gläubiger die Unterlassungsverpflichtungserklärung an, dann liegt darin auch dann kein Verzicht auf die Geltendmachung solcher Ansprüche, die andere Streitgegenstände betreffen und wegen derer der Schuldner die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung in Gänze verweigert hat, wenn sich der Gläubiger die Geltendmachung dieser Ansprüche in seiner Annahmeerklärung nicht ausdrücklich vorbehält.

 

Normenkette

HWG § 3 S. 2 Nr. 1; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 27.09.2016; Aktenzeichen 312 O 79/16)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, ZK 12, vom 27. September 2016, Az. 312 O 79/16, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Das landgerichtliche Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Heilmittelwerbe- und Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit dem aus menschlichem Blut gewonnenen Wirkstoff Alpha-1-Proteinase-Inhibitor ("AAT") zur Erhaltungstherapie bzw. Dauersubstitutionstherapie bei Erwachsenen mit nachgewiesenem Alpha-1-Proteinase-Inhibitormangel, der auch als Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ("AATM") bezeichnet wird. Diese Erkrankung kann zu Leberschädigungen und zu einem Lungenemphysem führen. Sie beruht auf einem Gendefekt, der nicht heilbar bzw. behandelbar ist (Anlage ASt 4).

Die Antragstellerin vertreibt das seit dem 20. August 2015 zugelassene Arzneimittel R. *. Nach der Fachinformation wird R.® "als Erhaltungstherapie angewendet, um das Fortschreiten eines Emphysems bei Erwachsenen mit nachgewiesenem schwerem Alpha1-Proteinase-Inhibitormangel (z.B. Genotypen PiZZ, PiZ(null), Pi(null,null), PiSZ) zu verzögern. Die Patienten müssen eine optimale pharmakologische und nicht pharmakologische Behandlung erhalten und gemäß Beurteilung durch einen in der Behandlung von Alpha1-Proteinase-Inhibitormangel erfahrenen Arzt Anzeichen einer progressiven Lungenerkrankung aufweisen (z. B. Verminderung der Einsekundenkapazität (FEV1), eingeschränkte Gehfähigkeit oder vermehrte Exazerbationen)" (Anlage AG 3/Ziffer 4.1/Anwendungsgebiete).

Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel P.®. Nach der Fachinformation ist P.® indiziert "zur Dauersubstitutionstherapie bei Patienten mit Alpha-1-Proteinaseinhibitormangel (Phänotyp PiZZ, PiZ(Null), Pi(Null,Null) und PiSZ) bei mittelgradiger Störung der Lungenfunktion (FEV1 35 - 60%) und nach Überprüfung des klinischen Zustandes (Grad der Beeinträchtigung)" (Anlage ASt 2/Ziffer 4.1/ Anwendungsgebiete).

Im Januar 2016 warb die Antragsgegnerin auf der Internetseite www.p..eu/de/web/alpha-1-info/hcp/p.-therapy-overview für eine Therapie mit dem Arzneimittel P.®. Dort hieß es u. a.

"Mit P. (humaner Alpha-1-Proteinaseninhibitor zur intravenösen Anwendung) steht seit über 20 Jahren die einzige kausale Therapie des AATM zur Verfügung."

(vgl. Anlage ASt 3 = Verbindungsanlage 1).

Darüber hinaus erschien Anfang 2015 in der Zeitschrift "Karger Kompass Pneumologie 3°|2|15" der nachfolgend wiedergegebene Beitrag "P.® in der Behandlung des Alpha-1: Aktuelle Studie belegt Nutzen der Substitutionstherapie":

(an dieser Stelle eingefügtes Bild)

(vgl. Anlage ASt 4 = Verbindungsanlage 2).

Nachfolgend ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Februar 2016 hinsichtlich der vorgenannten beiden Wer...

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